Media Control
Debatte über das »Byrd-Amendment« ist auch wegen ihres Zeitpunkts interessant. Drei Tage zuvor hatten die Contras das voll besetzte Passagierschiff Mission of Peace angegriffen, wobei zwei Personen ums Leben kamen und 27 verwundet wurden, darunter Rev. Lucius Walker, ein Baptist aus New Jersey, der eine kirchliche Delegation leitete. Alle Opfer waren Zivilisten. Die Senatoren Byrd und Dodd erwähnten diesen Vorfall nicht; vielleicht hatten sie die kleine Notiz vom 4. August in der New York Times übersehen. 109 Auch in diesem Fall ist die Logik eindeutig. Wenn die Sandinisten versuchen, der Terroristen habhaft zu werden, die diesen Angriff ausführten, erweisen sie sich als totalitäre Kommunisten, und die USA haben das Recht, den »Widerstandskämpfern« weitere militärische und »humanitäre« Hilfe zukommen zu lassen. Da auch viele liberale Senatsmitglieder das Vorgehen von Byrd und Dodd befürworteten, dürfen wir annehmen, daß sie diese Grundsätze billigten.
Beispielhaft für die Haltung der US-Liberalen dürfte die Konzeption des Lateinamerika-Spezialisten Robert Pastor sein, der in der Regierung Carter gearbeitet hatte. Er schreibt: »Die Vereinigten Staaten wollten Nicaragua oder andere Nationen in der Region nicht kontrollieren, aber auch nicht zulassen, daß die Entwicklungen außer Kontrolle gerieten. Die Nicaraguaner sollten unabhängig handeln, außer wenn ihre Aktionen den US-Interessen zuwiderliefen.« 110 Nicaragua und andere Länder sollen also frei sein, das zu tun, was wir wollen, und ihren Kurs unabhängig bestimmen können, sofern er mit unseren Interessen kongruiert. Nutzen sie diese Freiheit schamlos aus, müssen wir natürlich entsprechend reagieren, um uns selbst zu schützen. Diese Ideen entsprechen der innenpolitischen Vorstellung von Demokratie als Kontrolle der Bevölkerung.
Zu den grundlegenden Voraussetzungen dieses Diskurses gehört auch die Annahme, daß die amerikanische Außenpolitik von einem »Verlangen nach Demokratie« und generell wohlmeinenden Absichten geleitet sei. Zwar erzählen die historischen Tatsachen und geheime Planungsdokumente eine andere Geschichte, aber das wird von den Medien geflissentlich ignoriert. Insofern geschieht die Anwendung von Gewalt nur im Interesse der Selbstverteidigung, und wer sich gegen diese Gewalt zur Wehr setzt, ist sogar im eigenen Land ein Aggressor. Denn kein Staat hat das Recht, sich gegen amerikanische Angriffe zu verteidigen, während die Vereinigten Staaten anderen Ländern ihren Willen notfalls auch mit Gewalt aufzwingen dürfen. Diese Doktrinen bestimmen die Grenzen des öffentlichen Diskurses und dessen, was in den gebildeten Schichten den Bereich des Denkbaren ausmacht.
Im ersten Kapitel erwähnte ich einige Methoden und Modelle zur Untersuchung und Bewertung der medialen Berichterstattung. Eine Methode besteht darin, das Spektrum der veröffentlichten Meinungen abzustecken. Dem Propaganda-Modell zufolge wird dieses Spektrum durch den Konsens der Machteliten definiert, der allenfalls eine Diskussion über taktische Fragen erlaubt.
Das zeigen nicht zuletzt die Auseinandersetzungen über Nicaragua, die einige Jahre lang zwischen »Falken« und »Tauben« mit leidenschaftlicher Rhetorik geführt wurden. Die Position der Falken findet sich in einer gemeinsamen Erklärung von Verteidigungs- und Außenministerium, die im Dezember 1986 am Tag der internationalen Menschenrechte verlautbart wurde: »Auf dem amerikanischen Kontinent gibt es kein Regime, das barbarischer und blutiger ist und die Menschenrechte hartnäckiger und dauerhafter verletzt als das Regime der Sandinisten.« Ähnliche pathetische Äußerungen finden sich in den Medien und der Politik allgemein, und die Folgerung lautet, daß wir den »demokratischen Widerstand« gegen den kommunistischen Terror forcieren müssen. Die Tauben wiederum sind zwar grundsätzlich auch der Meinung, daß wir uns um den Weltgerichtshof, die Vereinten Nationen und andere »feindselige Foren« mit ihrer Vorliebe für den Kommunismus und den virulenten Anti-Amerikanismus der Dritten Welt nicht kümmern sollten und bieten der Regierung Reagan an, ihr bei der Verwirklichung des »noblen Ziels ... Nicaragua irgendwie zu demokratisieren« behilflich zu sein. Aber die Contras, so meinen sie, »sind nicht das Instrument, mit dem sich dieses Ziel erreichen läßt« (so der Kongreßabgeordnete Michael Barnes, einer der schärfsten Kritiker der Contra-Option). 111 Alan Cranston, ein führender
Weitere Kostenlose Bücher