Medicus 01 - Der Medicus
verboten. Während er sich dem maidan näherte, merkte er, daß es dort schon so lebhaft zuging, als wäre es Donnerstag abend. Musikanten, Jongleure, Fechter, Akrobaten, Tänzer und Zauberer produzierten sich vor einem dichtgedrängten Publikum, an dem die Läufer beinahe unbemerkt am Rand des Platzes vorbeizogen.
Karim kam an erschöpften Konkurrenten vorbei, die neben der Straße lagen oder saßen.
Als er den zweiten Pfeil holte, versuchte Mirdin wieder, ihm eine Salbe zum Schutz der Haut vor der Sonne zu geben, doch er lehnte ab, obwohl er sich zu seiner Schande eingestehen mußte, daß er es deshalb tat, weil die Salbe häßlich machte und die Angebetete ihn ohne Salbe sehen sollte. Wenn er sie brauchte, würde sie zur Verfügung stehen, da ihm Jesse, wie abgemacht, von dieser Runde an auf dem braunen Wallach folgte. Karim wußte, daß seine erste seelische Prüfung bevorstand, denn nach fünfundzwanzig römischen Meilen war er unabänderlich erschöpft.
Die Schwierigkeiten trafen beinahe programmgemäß ein. Auf halber Steigung der Allee der tausend Gärten bemerkte er eine wundgenebene Stelle an der linken Ferse. Wenn man eine so lange Strecke lief, mußten die Füße Schaden davontragen, und er wußte, daß er die Beschwerden nicht beachten durfte. Doch bald gesellte sich ein stechender Schmerz in der rechten Seite hinzu, der zunahm, bis Karim jedesmal nach Luft schnappte, wenn er den rechten Fuß auf die Straße setzte. Er winkte Jesse, der ein Ziegenfell mit Wasser hinter seinem Sattel befestigt hatte. Aber ein warmer Schluck, der nach Ziegenleder schmeckte, trug wenig zur Linderung seiner Beschwerden bei. Als er sich jedoch der madrassa näherte, erblickte er auf dem Dach des Krankenhauses sofort die Frau, auf die er gewartet hatte, und es war, als falle alles, was ihn belastet hatte, von ihm ab.
Rob, der hinter Karim wie ein Knabe ritt, der seinem Ritter folgt, sah Mary, als sie am maristan vorbeikamen, und sie lächelten einander an. Sie trug ihr schwarzes Trauerkleid und wäre nicht aufgefallen, wenn ihr Gesicht verschleiert gewesen wäre, denn alle anderen Frauen in Sichtweite trugen den schweren, schwarzen Straßenschleier. Die anderen Leute auf dem Dach sonderten sich ein wenig von seiner Frau ab, als fürchteten sie, durch ihre europäischen Sitten verdorben zu werden.
Die Frauen wurden von Sklaven begleitet, und Rob erkannte den Eunuchen Wasif, der hinter einer kleinen Gestalt stand, die in ein weites, schwarzes Kleid gehüllt war. Ihr Gesicht war hinter dem Roßhaarschleier verborgen, doch er erkannte Despinas Augen und sah, worauf sie gerichtet waren. Als er nämlich ihrer Blickrichtung folgte, sah er Karim, und ein Umstand verschlug ihm den Atem. Auch Karim hatte Despina erkannt und bannte sie mit seinem Blick. Als er an ihr vorbeilief, hob er die Hand und berührte das an seinem Hals hängende Säckchen.
Rob war davon überzeugt, daß alle Zuschauer die kleine Szene bemerkt hatten, aber der Jubel blieb gleich. Und obwohl Rob Ibn Sina in der Menge suchte, fand er ihn nicht unter den Zuschauern. Karim lief dem Schmerz in seiner Seite davon, bis er verschwand, und er kümmerte sich nicht um die Beschwerden in seinen Füßen. Jetzt setzte die Zermürbung ein, und an der Laufstrecke waren Männer in Eselwagen damit beschäftigt, Läufer aufzulesen, die nicht weiterkonnten.
Als Karim seinen dritten Pfeil holte, ließ er sich von Mirdin mit der Salbe einschmieren, die aus Rosenöl, Muskatnußöl und Zimt bestand. Sie färbte seine hellbraune Haut gelb, war aber ein guter Sonnenschutz. Jesse knetete seine Beine, während Mirdin ihn mit der Salbe einrieb, dann hielt ihm Rob einen Becher an die aufgesprungenen Lippen und flößte ihm mehr Wasser ein, als er wollte. Karim versuchte zu protestieren. »Ich will nicht pissen müssen.«
»Du schwitzt zu stark, um zu pissen.«
Karim wußte, daß es stimmte, und trank. Gleich darauf war er wieder unterwegs und lief und lief.
Jetzt stand die Sonne heiß und hoch am Himmel und erwärmte den Boden so stark, daß die Hitze der Straße durch das Leder seiner Schuhe drang und seine Sohlen verbrannte. An der Straße standen Männer mit Wasserbehältern, und manchmal legte er eine Pause ein, um seinen Kopf zu befeuchten, bevor er ohne Dank oder Segen weiterrannte.
Nachdem er den vierten Pfeil erobert hatte, verließ ihn Jesse, tauchte aber kurz darauf auf dem Rappen seiner Frau auf; zweifellos ließ er den Wallach tränken und sich im kühlen Schatten
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