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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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ausruhen. Mirdin wartete bei dem Pfosten, wo die Pfeile steckten, und beobachtete, wie ausgemacht, die anderen Läufer.
    Als Karim während der fünften Runde am maristan vorbeikam, stand Despina nicht mehr auf dem Dach.
    Vielleicht hatte sie sein Aussehen erschreckt. Das spielte keine Rolle, denn er hatte sie gesehen, und nun berührte er gelegentlich das Säckchen, das die dichten, schwarzen Locken enthielt, die er ihr mit eigenen Händen abgeschnitten hatte.
    Stellenweise wirbelten die Wagen, die Füße der Läufer und die Hufe der begleitenden Tiere dichten Staub auf, der sich in seinen Nasenlöchern und in seiner Kehle festsetzte und ihn zum Husten reizte. Der Ruf zum zweiten Gebet versetzte ihm einen Schock. Überall auf der Rennstrecke warfen sich Läufer und Zuschauer in Richtung Mekka auf den Boden. Er zitterte, sein Körper konnte sich nicht darauf einstellen, daß die Beanspruchung aussetzte, wenn auch nur für kurze Zeit. Karim hätte am liebsten die Schuhe ausgezogen, wußte aber, daß er sie nicht wieder an seine geschwollenen Füße bringen würde. Als das Gebet zu Ende war, rührte er sich einen Moment lang nicht. »Wie viele sind wir noch?«
    »Achtzehn. Jetzt beginnt der Wettkampf«, sagte Jesse zu ihm. Karim erhob sich und zwang sich, in der flirrenden Hitze zu laufen. Doch er wußte, daß dies noch nicht der Wettkampf war. Es fiel ihm schwerer als am Vormittag, die Hügel hinaufzulaufen, aber er behielt seinen gleichmäßigen Laufrhythmus bei. Jetzt war die schlimmste Zeit. Die Sonne befand sich direkt über ihm, und die wahre Prüfung stand ihm noch bevor. Er dachte an Zaki-Omar und wußte, daß er, falls er nicht starb, weiterlaufen würde, bis er zumindest den zweiten Platz errungen hatte.
    Bisher hatte er diese Erfahrung nicht gemacht, und in einem Jahr würde er vielleicht für eine solche Strapaze zu alt sein. Es mußte heute sein. Als er den sechsten Pfeil in seinen Köcher schob, wandte er sich sofort an Mirdin. »Wie viele?«
    »Es sind noch sechs Läufer im Rennen«, antwortete Mirdin verwundert, und Karim nickte und begann wieder zu laufen. Nun erst begann der Wettkampf.

    Er sah drei Läufer vor sich, zwei von ihnen kannte er. Er überholte einen kleinen, zart gebauten Inder. Etwa achtzig Schritte vor dem Inder lief ein Junge, dessen Name Karim nicht geläufig war, in dem er aber einen Soldaten der Palastgarde erkannte. Und weit vorne, aber doch so nahe, daß Karim ihn erkennen konnte, lief ein bedeutender Athlet, ein Mann aus Hamadhãn namens al-Harãt. Der Inder war langsamer geworden, lief aber schneller, als Karim auf gleiche Höhe kam, und sie zogen Schritt für Schritt miteinander gleich. Die Haut des Inders war sehr dunkel, fast wie Ebenholz, und unter ihr glänzten lange, flache Muskeln in der Sonne, während er sich bewegte.
    Auch Zakis Haut war dunkel gewesen - ein Vorteil unter heißer Sonne. Karims Haut brauchte die gelbe Salbe; sie hatte die Farbe von hellem Leder, was, wie Zaki-Omar behauptete, davon kam, daß einer von Alexanders hellhäutigen Griechen eine Vorfahrin gefickt hatte. Ein kleiner, gefleckter Hund war aufgetaucht und lief bellend neben ihnen her.
    Als sie an den Besitzungen entlang der Allee der tausend Gärten vorbeikamen, streckten ihnen Leute Melonenschnitten und Becher mit Scherbett entgegen, aber Karim nahm nichts, weil er Angst vor Krämpfen hatte. Er ließ sich Wasser geben, das er in seine Mütze goß, bevor er sie wieder aufsetzte, was ihm eine gewisse Erleichterung verschaffte, bis die Mütze erstaunlich rasch in der Sonne trocknete. Gemeinsam mit dem Inder überholte er den Jungen von der Palastwache. Er stellte keine Konkurrenz mehr dar, denn er lag eine volle Runde zurück, weshalb in seinem Köcher nur fünf Pfeile steckten. Karim bemerkte bestürzt, daß der Inder noch locker lief und daß sein Gesicht gespannt, aber relativ frisch war.
    Der gefleckte Hund, der einige Meilen lang neben ihnen her gelaufen war, schwenkte plötzlich herum und lief ihnen quer über den Weg. Karim machte einen Sprung, um ihm auszuweichen, und das warme pell streifte über seine Beine. Dafür prallte das Tier dem anderen Läufer mit voller Wucht gegen die Beine, und der Inder fiel hin.
    Als Karim sich zu ihm umdrehte, wollte er gerade aufstehen, doch er setzte sich wieder auf die Straße. Sein rechter Fuß war vollkommen verdreht, und er starrte ungläubig auf seinen Knöchel. Er konnte nicht begreifen, daß das Rennen für ihn zu Ende war.
    »Lauf!« feuerte Jesse

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