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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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gewesen, sich in die erste Reihe durchzukämpfen und dann, vorausgesetzt, daß er im Gedränge nicht verletzt wurde, ein Tempo vorzulegen, mit dem er ungefährdet die Spitze vor dem Hauptfeld halten konnte. Aber das hätte schon zu Beginn sehr viel Energie gekostet. Er hatte den sicheren Weg gewählt.
    Sie liefen auf der breiten Prachtstraße Tore des Paradieses, bogen nach links ab und folgten über eine Meile der Allee der tausend Gärten, die erst bergab ging und dann anstieg. Die Strecke bog nach rechts in die Straße der Vorkämpfer ein, die nur eine Viertelmeile lang war. Die kurze Straße verlief auf dem Weg stadtauswärts bergab und war dafür auf dem Rückweg anstrengend. Dann schwenkten die Läufer nach links auf die Ali-und-Fatima-Allee ein, der sie bis zur madrassa folgten. Unter den Läufern gab es Männer aus allen möglichen Bevölkerungsschichten. Es war bei jungen Adeligen Mode, eine halbe Runde mitzulaufen, und Männer in seidener Sommerkleidung liefen Schulter an Schulter mit Läufern in Lumpen. Karim blieb nach wie vor zurück, denn zu diesem Zeitpunkt war das Ganze weniger ein Wettlauf als ein laufender Volkshaufen, den das Ende des Ramadãn in gehobene Stimmung versetzt hatte. Es war ein guter Beginn für ihn, denn das langsame Tempo ermöglichte seinen Säften, allmählich in Fluß zu geraten.
    Sie schlängelten sich durch das Gelände der madrassa und dann zum zentralen maidan , wo zwei große, offene Zelte aufgestellt worden waren. Das eine war für Adelige bestimmt, mit Teppichen ausgelegt und mit Brokat ausgeschlagen. Auf Tischen standen alle möglichen köstlichen Speisen und Weine. Das andere Zelt war für Läufer einfacher Herkunft bestimmt, denen Fladenbrot, pilaw und scherbet angeboten wurde. Es wirkte nicht weniger einladend, so daß für fast die Hälfte der Wettkämpfer hier das Rennen endete, weil sie sich mit begeisterten Rufen über die Erfrischungen hermachten.
    Karim gehörte zu jenen, die an den Zelten vorbeiliefen. Sie umrundeten die steinernen Ball-und-Stock-Tore und nahmen dann die Strecke zurück zum Haus des Paradieses in Angriff.
    Jetzt waren es weniger Läufer, die auf eine größere Distanz verteilt waren, und Karim hatte genügend Spielraum, um sein eigenes Tempo zu laufen.
    Es gab verschiedene Strategien. Manche waren dafür, die ersten Runden rasch zurückzulegen, um die Morgenkühle auszunutzen. Aber Zaki-Omar hatte ihn gelehrt, daß das Geheimnis, Langstrecken durchzustehen, darin bestand, ein Tempo zu wählen und unverändert durchzuhalten, das einem erlaubte, beim Endspurt die letzten Energien einzusetzen. Er konnte so den vollendeten Rhythmus und die Gleichmäßigkeit eines trabenden Pferdes beibehalten. Die römische Meile bestand aus eintausend fünf Fuß langen Schritten, aber Karim brauchte ungefähr zwölfhundert Schritte pro Meile, von denen jeder etwas mehr als vier Fuß lang war. Er hielt seine Wirbelsäule vollkommen gerade und den Kopf hoch erhoben. Das Klopfen seiner Füße auf dem Boden in der von ihm gewählten Geschwindigkeit war wie die Stimme eines alten Freundes.
    Er begann jetzt, einige Läufer zu überholen, obwohl er wußte, daß die meisten keine ernsten Konkurrenten darstellten, und lief leichtfüßig zu den Palasttoren, wo er den ersten Pfeil nahm und in seinen Köcher steckte.
    Mirdin bot ihm Balsam an, damit er sich gegen die Sonne einreihen konnte. Er lehnte ab. Das Wasser aber nahm er dankbar an, trank jedoch nur mäßig. »Du bist zweiundvierzigster«, sagte Jesse. Karim nickte und lief weiter.
    Nun lief er im vollen Tageslicht. Die Sonne stand noch tief, war aber schon kräftig und ließ auf die bevorstehende Hitze schließen. Das kam für ihn nicht unerwartet. Manchmal war Allah den Läufern günstig gesinnt, aber die meisten chatirs wurden wegen der Hitze zu wahren Zerreißproben. Die Höhepunkte von Zaki-Omars leichtathletischer Karriere waren zwei zweite Plätze in zwei chatirs gewesen, einmal, als Karim zwölf, und einmal, als er vierzehn Jahre alt gewesen war. Die Hügel kosteten Karim nicht mehr Kräfte als bei der ersten Runde, und er erklomm sie fast, ohne es zu merken. Die Zuschauermenge wurde überall dichter, denn es war ein schöner, sonniger Morgen, und Isfahan hatte einen Feiertag, an dem die meisten Geschäfte geschlossen blieben.
    Als Karim wieder zum maristan kam und noch immer nicht die Frau sah, die versprochen hatte hinzukommen, versetzte es ihm einen Stich. Vielleicht hatte ihr Mann es ihr schließlich doch

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