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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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das Schicksal uns irgendwie trennt, dann sollst du wissen, daß meine Verwandten die Jungen zu rechtschaffenen Männern erziehen werden.«
    Sie berührten einander zart an allen vertrauten Körperstellen, wie zwei Blinde, die mit ihren Händen die Erinnerung festhaken wollen. Es war eine traurige Zärtlichkeit, als wäre es das letzte Mal. Danach weinte sie lautlos, und er hielt sie wonlos in seinen Armen. Es gab so vieles, was er sagen wollte, aber es fehlten ihm die Worte.
    Im Morgengrauen brachte er die drei an Bord der >Aelfgifu<. Sie war nur sechzig Fuß lang und besaß ein offenes Deck. Der Mast war dreißig Fuß hoch, und das Segel war groß und quadratisch. Der Rumpf war aus dicken, überlappenden Eichenplanken gezimmert. Dank der schwarzen Schiffe des Königs würden die Seeräuber draußen auf offener See bleiben, und die >Aelfgifu< würde sich dicht an der Küste halten, um Fracht abzuliefern oder aufzunehmen, und beim ersten Anzeichen eines Sturms einen Hafen anlaufen. Es war die sicherste Form einer Reise zu Schiff.
    Rob stand auf dem Dock. Marys Gesicht war unerschütterlich; sie hatte sich für die feindselige Welt gerüstet. Sie beugte sich hinunter und sagte etwas zu Rob James, als das Segel gehißt wurde. »Leb wohl, Pa!« schrie die dünne Stimme gehorsam, aber deutlich. »Gott sei mit euch!« rief Rob.

Das Lyceum
    Am 9. November desselben Jahres wurde eine Frau namens Julia Swane zum Hauptgesprächsthema Londons, da sie als Hexe verhaftet wurde. Man warf ihr vor, ihre sechzehnjährige Tochter Glynna in ein fliegendes Pferd verwandelt und sie dann so brutal geritten zu haben, daß das Mädchen für immer verstümmelt blieb. »Wenn das wahr ist«, empörte sich Robs Hausherr Peter Lound, »ist es ein abscheuliches, | verruchtes Verbrechen. Seinem eigenen Fleisch und Blut so etwas anzutun!«
    Rob fehlten seine Kinder und ihre Mutter schmerzlich. Der erste Meeressturm kündigte sich über vier Wochen nach ihrer Abreise an. Doch zu diesem Zeitpunkt mußten sie längst in Dunbar gelandet sein. Er betete, daß sie, wo immer sie sich auch aufhalten mochten, an einem sicheren Ort das Abflauen der Stürme abwarten konnten.
    Er wurde wieder zu einem einsamen Wanderer, der alle Viertel von London, die er von früher kannte, und die neuen Sehenswürdigkeiten, die seither entstanden waren, besuchte. Als er vor dem Schloß des Königs stand, das ihm einst als die Verkörperung königlicher Prachtentfaltung erschienen war, staunte er über den Unterschied zwischen dessen englischer Schlichtheit und der erhabenen Pracht des Hauses des Paradieses. König Edward hielt sich meist im Schloß von Winchester auf, doch eines Morgens wandelte er schweigend, nachdenklich und in sich gekehrt zwischen seinen Leibwächtern und Gefolgsleuten umher.
    Vom Michaelitag an war dieser Herbst kalt, und es wehte ein scharfer Wind. Dann kam der warme und regnerische Winter. Rob dachte oft an seine Lieben und hätte gern gewußt, wann sie in Kilmarnock eingetroffen waren. Aus Einsamkeit verbrachte er so manchen Abend im >Fox<, versuchte aber, beim Trinken Maß zu halten, denn er wollte nicht in eine Rauferei verwickelt werden wie in seiner Jugend. Zur Adventszeit wurde ihm das Herz schwer, denn Weihnachten war ein Fest, das traditionellerweise im Kreise der Familie verbracht wurde.
    Am Weihnachtstag nahm er seine Mahlzeit im >Fox< ein: Schweinssülze und eine Hammelpastete, die er mit einer gewaltigen Menge Met hinunterspülte. Auf dem Heimweg stieß er auf zwei Seeleute, die auf einen Mann einschlugen, dessen Lederhut im Straßenkot lag. Rob sah, daß er auch einen schwarzen Kaftan trug. Einer der Seeleute hielt die Arme des Juden hinter seinem Rücken fest, während der andere ihm Faustschläge versetzte, die jedesmal, wenn sie trafen, gräßlich klangen. »Aufhören, verdammte Kerle!«
    Der Schläger unterbrach seine Beschäftigung. »Verschwindet, Master, solange ihr könnt!«
    »Was hat er getan?«
    »Ein Verbrechen, das vor tausend Jahren verübt wurde, und jetzt schicken wir den stinkenden französischen Hebräer tot in die Normandie zurück.«
    »Laßt ihn in Frieden!«
    »Ihr liebt ihn wohl, dann wollen wir zuschauen, wie Ihr an seinem Schwanz lutscht.«
    Der Alkohol erfüllte Rob immer mit wilder Aggression, und er war zum Kampf bereit. Seine Faust schmetterte in das plumpe, häßliche Gesicht. Der Komplize ließ den Juden los und rannte davon, während der Seemann, den Rob niedergeschlagen hatte, sich aufrappelte. »Bastard!

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