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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Kirchen angsteinflößend. Es gab in London viel mehr Kirchen als in Isfahan Moscheen, über hundert an der Zahl. Sie überragten alle anderen Gebäude - London war eine zwischen Kirchen erbaute Stadt -, und sie lärmten ständig mit einer dröhnenden Stimme, bei der Mary erzitterte. Für Mary symbolisierten die Glocken die Stadt. Und sie haßte diese vermaledeiten Glocken.
    Der erste Mann, der aufgrund des neuen Schildes an ihre Tür klopfte, war kein Patient. Er war schmächtig, ging leicht gebückt und blinzelte aus zusammengekniffenen Augen.
    »Nicholas Hunne, Medicus«, stellte er sich vor, neigte seinen kahl werdenden Kopf zur Seite wie ein Spatz und wartete auf die Reaktion. »Von der Thames Street«, fügte er bedeutungsvoll hinzu. »Ich habe Euer Schild gesehen«, sagte Rob. Er lächelte. »Ihr ordiniert am anderen Ende der Thames Street, Master Hunne, und ich lasse mich jetzt hier nieder. Zwischen uns leben genügend leidende Londoner, um ein Dutzend fleißiger Ärzte zu beschäftigen.« Hunne schniefte. »Nicht so viel Kranke, als Ihr vielleicht annehmt. In London sind die Ärzte dicht gesät, und meiner Ansicht nach böte eine etwas abseits liegende Stadt bessere Möglichkeiten für einen Arzt, der gerade beginnt.«
    Als er fragte, wo Master Cole ausgebildet worden sei, log Rob wie ein Teppichhändler und behauptete, er habe sechs Jahre lang im ostfränkischen Königreich studiert. »Und was werdet Ihr berechnen?«
    »Berechnen?«
    »Ja. Honorare, Mann. Eure Behandlungskosten!«
    »Darüber habe ich eigentlich noch nicht nachgedacht.«
    »Das müßt Ihr aber sofort tun. Ich sage Euch, was hier üblich ist, denn es wäre unangebracht, wenn ein Neuankömmling die ortsansässigen Ärzte unterböte. Die Honorare sind je nach der Vermögenslage des Patienten verschieden - natürlich gibt es keine Grenze nach oben. Doch dürft Ihr nie weniger als vierzig Pence für eine Venenöffnung verlangen, denn der Aderlaß ist die Haupteinnahmequelle unseres Gewerbes, und auch nicht weniger als sechsunddreißig Pence für eine Harnuntersuchung.«
    Rob wurde nachdenklich, denn diese Honorare lagen skrupellos hoch. »Ihr sollt Euch nicht um das Gesindel kümmern, das an den Enden der Thames Street wohnt. Die haben ihre Baderchirurgen. Es wird auch nicht von Erfolg gekrönt sein, sich dem Adel anzubieten, denn der wird von einigen wenigen Ärzten betreut: Dryfield, Hudson, Simpson und diese Leute. Aber die Thames Street bietet eine große Auswahl an reichen Kaufleuten. Ich habe mir angewöhnt, die Bezahlung zu verlangen, bevor ich mit der Behandlung beginne, da ist die Angst der Kranken am größten.« Er warf Rob einen listigen Blick zu. »Unsere Konkurrenz kann durchaus ihre guten Seiten haben, denn ich habe festgestellt, daß es Eindruck macht, wenn ich einen zweiten Medicus hinzuziehe, falls der betreffende Patient wohlhabend ist. Wir könnten einander häufig und einträglich unter die Arme greifen, wie?«
    Rob ging zur Tür, um ihn hinauszubegleiten. »Ich ziehe es meist vor, allein zu arbeiten«, entgegnete er kalt.
    Der andere wurde rot, denn die Ablehnung war unmißverständlich. »Dann könnt Ihr zufrieden sein, Master Cole.
    Ich werde Eure Ansichten verbreiten, und kein anderer Medicus wird in Eure Rufweite kommen.« Er nickte kurz und verschwand.

    Es kamen Kranke, aber nicht allzu viele.
    Das ist zu erwarten gewesen, sagte sich Rob. Ich bin ein neuer Fisch in einem fremden Meer, und es wird Zeit erfordern, bis ich mich eingeführt habe. Besser, man wartet, als man bedient sich der schmutzigen Praktiken von Leuten vom Schlag eines Hunne. Inzwischen lebte er sich ein. Er besuchte mit seiner Frau und seinen Kindern die Familiengräber, und die kleinen Jungen spielten zwischen den Grabsteinen auf dem St.-Botolphs-Friedhof.
    Er fand auf dem Cornhill eine Taverne, die ihm zusagte. Sie hieß >The Fox< und war ein Wirtshaus von der Art, bei der sein Vater Zuflucht gesucht hätte, als Rob noch ein Junge war. Dort mied er das Metheglin und trank nur braunes Ale. Einmal entdeckte er einen Bauunternehmer namens George Markham, der mit Robs Vater Mitglied der Zimmermannszunft gewesen war.
    Rob erzählte den Leuten im >The Fox<, daß er sich jahrelang im Ausland aufgehalten und im ostfränkischen Königreich Medizin studiert habe.
    Von Markham und anderen Gästen des >Fox< erfuhr Rob, was mit Englands Herrschergeschlecht geschehen war. Einen Teil der Geschichte hatte er ja schon von Bostock in Isfahan gehört. Jetzt vernahm

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