Medicus 01 - Der Medicus
Mann.«
»Aber es heißt, Ihr seid ein Medicus.«
»Das ist richtig.«
»Ich bin Charles Bostock, Kaufmann und Importeur, Besitzer dieses Lagerhauses und dieses Docks. Und ich bin nicht so verrückt, verdammt noch mal, daß ich einen Medicus zu einem Leibeigenen kommen lasse!«
Rob zuckte mit den Achseln. Die Instrumente wurden gebracht, und er machte sich zur Amputation bereit. Er nahm die Knochensäge, schnitt den zerquetschten Fuß ab und nähte den Hautlappen sorgfältig über den Stumpf, aus dem Blut sickerte, so wie al-Juzjani es von ihm verlangt hätte.
Bostock war noch immer da. »Ihr habt meine Worte wohl nicht verstanden«, begann er wieder. »Ich bezahle Euch nichts. Ihr bekommt keinen halben Penny von mir.«
Rob nickte. Er klopfte dem Leibeigenen mit zwei Fingern leicht auf die Wange, und der Mann stöhnte auf. »Wer seid Ihr?«
»Robert Cole, Medicus aus der Thames Street.«
»Kennen wir einander, Master?«
»Meines Wissens nicht, Master Kaufmann.«
Er sammelte seine Instrumente ein, nickte und entfernte sich. Am Ende des Docks warf er einen Blick zurück.
Bostock sah Rob starr und zutiefst verdutzt nach, während dieser sich entfernte.
Er sagte sich, daß Bostock in Isfahan einen Juden mit Turban, buschigem Bart und in persischer Kleidung kennengelernt hatte: den orientalischen Jesse ben Benjamin. Und auf dem Dock hatte der Kaufmann mit Robert Jeremy Cole, einem freien Londoner Bürger in alltäglicher englischer Kleidung gesprochen, dessen Gesicht durch den kurzgeschnittenen Spitzbart gewiß verändert war.
Es war möglich, daß Bostock sich überhaupt nicht mehr an ihn erinnerte; und ebensogut war möglich, daß dies doch der Fall war. Rob kaute an der Frage herum wie ein Hund auf einem Knochen. Er hatte nicht so sehr Angst um seine Person - obwohl er natürlich Angst hatte —, sondern machte sich Sorgen um die Zukunft seiner Frau und der Kinder, falls er wirklich Schwierigkeiten bekommen sollte. Und als Mary an diesem Abend wieder von Kilmarnock sprach, wurde ihm allmählich klar, was geschehen mußte.
»Ich würde liebend gern dorthin übersiedeln«, gestand sie. »Ich sehne mich danach, über eigenen Grund und Boden zu gehen und wieder unter Schotten und Verwandten zu leben.«
»Es gibt einige Angelegenheiten, die ich hier erledigen muß«, antwortete er langsam. Er ergriff ihre Hände.
»Aber ich glaube, daß ihr, du und die Kinder, ohne mich nach Kilmarnock fahren solltet.« «Ohne dich?«
»Ja.«
Sie rührte sich nicht. Die Blässe ließ ihre hohen Backenknochen noch stärker hervortreten und warf Schatten in ihr schmales Gesicht, so daß ihre Augen größer schienen, während sie ihn betrachtete. Ihre sensiblen Mundwinkel, die immer ihre Gefühle verrieten, sagten ihm, wie unmöglich ihr dieser Vorschlag vorkam.
»Wenn du es unbedingt willst, werden wir fahren«, erklärte sie ruhig. In den nächsten Tagen überlegte er sich alles noch ein dutzendmal. Doch schrie niemand empört auf oder schlug Alarm. Es kamen auch keine Bewaffneten, um ihn zu verhaften. Er war Bostock zwar offenbar bekannt vorgekommen, der Kaufmann hatte ihn aber nicht als Jesse ben Benjamin erkannt. Fahre nicht! hätte er am liebsten zu Mary gesagt. Mehrmals war er beinahe soweit, doch immer hielt ihn etwas davon ab. Er trug die schwere Last der Angst mit sich herum, und es konnte nicht schaden, wenn sie und die Jungen eine Zeitlang in einem anderen Ort in Sicherheit waren.
Also sprachen sie wieder darüber. »Wenn du uns zum Hafen Dunbar bringen könntest«, meinte sie.
»Warum nach Dunbar?«
»Die MacPhees leben dort, Verwandte der Cullens. Sie werden dafür sorgen, daß wir sicher in Kilmarnock ankommen.«
Dunbar, das war kein Problem. Im >The Fox< hörte Rob von einem Lastboot, das in Dunbar anlegte. Es hieß >Aelfgifu< nach Harold Harefoots Mutter, und sein Kapitän war ein grauhaariger Däne, der sich freute, für drei Passagiere, die nicht viel essen würden, eine Menge Geld zu bekommen.
Die >Aelfgifu< würde in nicht einmal zwei Wochen auslaufen, deshalb mußte man eilig Vorbereitungen treffen, die Kleidung ausbessern, entscheiden, was mitgenommen wurde und was nicht. Plötzlich waren es nur noch wenige Tage bis zum Abschied.
»Ich folge euch nach Kilmarnock, sobald ich kann.«
»Wirklich?« fragte sie.
»Selbstverständlich.«
Am Abend vor der Abreise kam sie wieder darauf zurück. »Wenn du nicht kommen kannst...«
»Ich werde kommen.«
»Aber... wenn du doch nicht kommen kannst. Wenn
Weitere Kostenlose Bücher