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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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bis zur Dämmerung weiter an. Erschöpft schlugen sie das Lager auf und aßen schweigend ein kärgliches Mahl.
    »Schildere es noch einmal!« forderte der Bader ihn schließlich auf. »Laß nichts aus!«
    Er hörte aufmerksam zu und unterbrach Rob nur einmal, um ihn zu bitten, lauter zu sprechen. Als er die Geschichte des Jungen angehört hatte, nickte er.
    »In meiner Lehrlingszeit habe ich miterlebt, wie mein Badermeister zu Unrecht als Hexer ertränkt wurde«, sagte er.
    Rob starrte ihn an und war zu erschrocken, um weitere Fragen zu stellen.
    »Einige Male in meinem Leben sind Leute gestorben, während ich sie behandelt habe. Einmal ist in Durham eine alte Frau verschieden, und ich war sicher, dass ein geistliches Gericht die Prüfung durch Untertauchen oder Halten einer weißglühenden Eisenstange anordnen würde. Ich wurde erst nach der peinlichsten Befragung, nach Fasten und Almosenspenden freigelassen. Ein andermal in Eddisbury starb ein Mann, als er sich hinter meinem Wandschirm befand. Er war jung und schien kerngesund zu sein. Unruhestifter hätten leichtes Spiel gehabt, aber ich hatte Glück, und niemand verstellte mir den Weg, als ich den Ort verließ.«
    Rob fand seine Stimme wieder. »Glaubt Ihr... dass ich vom Teufel besessen bin?« Es war eine Frage, die ihn den ganzen Tag beschäftigt hatte.
    Der Bader schnaubte. »Wenn du das glaubst, bist du kindisch und dumm. Und ich weiß, dass du weder das eine noch das andere bist.« Er ging zum Wagen, füllte sein Hörn mit Metheglin und trank es aus, bevor er fortfuhr.
    »Mütter und Väter sterben. Und alte Leute sterben. Das ist der Lauf der Welt. Bist du sicher, dass du etwas gefühlt hast?«
    »Ja, Bader.«
    »Ein junger Kerl wie du kann sich doch einmal irren oder phantasieren?«
    Rob schüttelte eigensinnig den Kopf.
    »Und ich sage, es war alles nur Phantasie«, behauptete der Bader. »Jetzt reicht es mit dem Fliehen und Reden, wir müssen uns ausruhen.«
    Sie schlugen ihr Nachtlager zu beiden Seiten des Feuers auf, aber sie lagen stundenlang dort, ohne zu schlafen.
    Der Bader wälzte sich und warf sich herum, dann stand er auf und öffnete eine weitere Flasche. Er nahm sie zu Robs Seite des Feuers mit und hockte sich nieder. »Angenommen«, begann er und trank einen Schluck, »nur angenommen, alle anderen Menschen auf der Welt würden ohne Augen geboren, und du kämst allein mit Augen auf die Welt?«
    »Dann würde ich sehen, was niemand sonst sehen kann.« Der Bader trank und nickte. »Ja. Oder stell dir vor, wir hätten keine Ohren, und du hättest welche? Oder nimm an, dass uns ein anderer Sinn fehlt. Und irgendwie von Gott oder der Natur oder von wem du willst hättest du eine... besondere Gabe erhalten. Nimm an, du kannst vorhersagen, wenn jemand sterben wird?« Rob schwieg, weil er wieder schreckliche Angst hatte. »Es ist Unsinn, wir beide wissen das«, stellte der Bader fest. »Es ist alles deiner Phantasie entsprungen. Aber nur angenommen...« Er trank nachdenklich aus der Flasche, sein Adamsapfel hüpfte auf und ab, und das verlöschende Feuer glänzte warm in seinen hoffnungsvollen Augen, als er Rob ansah. »Es wäre eine Sünde, eine solche Gabe nicht zu verwerten«, schloss er.

    In Chipping Norton kauften sie Metheglin und füllten wieder eine Menge Spezificum ab, um den einträglichen Vorrat aufzufüllen. »Wenn ich sterbe und vor dem Himmelstor in der Reihe stehe«, sagte der Bader, »wird der heilige Petrus alle fragen: >Wie hast du dein Brot verdient?< - >Ich war ein Bauer< wird ein Mann sagen, oder >Ich habe Stiefel aus Leder hergestellt<. Aber ich werde antworten: >Fumum vendidi<«, lachte der ehemalige Mönch fröhlich, und Robs Latein reichte dafür aus: Ich habe Dunst verkauft.
    Doch der Bader war viel mehr als ein Hausierer mit fragwürdigen Arzneien. Wenn er hinter dem Wandschirm die Leute behandelte, bewies er Sachkenntnis und oft auch Mitgefühl. Was er unternahm, verstand und tat er einwandfrei, und er führte Rob eine sichere Urteilskraft vor und eine feinfühlige Hand.
    In Buckingham zeigte ihm der Bader, wie man Zähne zieht, denn er stieß zufällig auf einen Viehtreiber mit verfaulten Zähnen. Der Patient war ebenso dick wie der Bader, ein Angsthase mit hervorquellenden Augen, der schrie wie eine Frau. Mittendrin überlegte er es sich. »Halt, halt, halt! Lasst mich los!« flüsterte er mit blutigem Mund, aber es war klar, dass die Zähne gezogen werden mussten, und sie machten weiter; es war für Rob eine

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