Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
Vom Netzwerk:
einen dritten Ball aus der Tasche, dann einen vierten und schließlich einen fünften.
    Der Beifall war das lauteste und zugleich schönste Geräusch, das Rob je gehört hatte.
    Der Bader ließ dann in einem leeren Korb Papierrosen aufblühen, verwandelte ein dunkles Halstuch in eine Reihe farbiger Fähnchen, griff sich Münzen aus der leeren Luft und ließ zuerst einen Krug Bier und dann ein Hühnerei verschwinden.
    Rob sang >Der reichen Witwe Liebesnot< zu einem entzückten Pfeifkonzert, dann verkaufte der Bader schnell sein universelles Spezificum, leerte drei Körbe und schickte Rob um Nachschub in den Wagen. Danach wartete eine lange Reihe von Patienten darauf, wegen verschiedener Leiden behandelt zu werden, denn wenn auch die leichtgläubige Menge schnell bereit war zu lachen und auf einen Scherz einzugehen, bemerkte Rob, dass die Leute doch äußerst ernst wurden, wenn es sich darum handelte, Heilung für die Krankheiten ihres Körpers zu finden.
    Sobald die Patienten gegangen waren, verließen sie Bridgeton, denn der Bader behauptete, es sei ein Räubernest, in dem einem nach Einbruch der Dunkelheit die Kehle durchgeschnitten wurde. Der Meister war mit ihren Einnahmen sichtlich zufrieden, und Rob schlief an diesem Abend mit dem Bewusstsein ein, sich seinen Platz in dieser Welt gesichert zu haben.

    Als nächstes hielten sie in Glastonbury, einem Ort mit frommen Leuten, die ihre Häuser um die große, schöne St.-Michaels-Kirche errichtet hatten.
    »Wir müssen hier etwas zurückhaltend sein«, sagte der Bader. »In Glastonbury führen die Pfaffen das große Wort, und Pfaffen hassen jede Form von ärztlicher Behandlung, denn sie glauben, dass Gott sie mit der heiligen Verantwortung für die Seele und den Körper des Menschen betraut hat.«
    Rob bemerkte nicht weniger als fünf finster dreinblickende Priester unter den Zuschauern.
    Er und der Bader jonglierten mit roten Bällen, die der Bader kommentierend mit den Feuerzungen verglich, die den Heiligen Geist der Apostelgeschichte 2.3 verkörpern. Die Zuschauer waren von dem Jonglieren begeistert und klatschten eifrig Beifall, verstummten jedoch, als Rob >Alle Glorie, Preis und Ehre< sang. Der Bader brachte dann heilige Reliquien in einer abgenutzten Truhe aus Eschenholz auf die Bühne. »Gebet acht, Mitbrüder im Herrn«, begann er mit seiner, wie er Rob später erklärte, Mönchsstimme. Er zeigte ihnen Erde und Sand, die vom Berg Sinai und vom Ölberg nach England gebracht worden waren, hielt einen Splitter vom heiligen Kreuz in die Höhe und ein Stück von dem Balken, der die heilige Krippe getragen hatte; er zeigte Wasser aus dem Jordan, eine Erdscholle von Gethsemane und Knochensplitter, die von vielen Heiligen stammten.
    Die Zuschauer waren gerührt. Während sie noch seufzten, hielt der Bader eine Flasche Universal-Spezificum hoch. »Freunde«, deklamierte er, »wie der Herr das Heilmittel für eure Seele gefunden hat, habe ich die Arznei für euren Körper gefunden.« Er erzählte die Geschichte von Vitalia, dem Kraut des Lebens, die offensichtlich ebenso gut bei Frommen wie bei Sündern wirkte, denn die Leute kauften das Spezificum gierig und stellten sich dann vor dem Wandschirm des Baders zur Beratung und Behandlung an. An diesem Nachmittag rasteten sie frohgelaunt. Das war vielleicht der richtige Moment, um ein Thema anzuschneiden, das schon lange schwer auf Robs Gemüt lastete. »Bader«, begann er. »Hmmm?«
    »Bader, wann fahren wir nach London?«
    Der Bader war gerade damit beschäftigt, die Münzen aufzustapeln, und winkte ab, da er sich nicht verzählen wollte. »Demnächst«, murmelte er, »irgendwann.«

Die Gabe
    In Kingswood versagte Rob bei vier Bällen. In Mangotsfield ließ er einen Ball fallen, aber das war das letzte Mal, und nachdem sie den Dorfbewohnern von Redditch Mitte Juni eine Vorstellung und Behandlung geboten hatten, brauchte er nicht mehr jeden Tag stundenlang das Jonglieren zu üben, denn die häufigen Auftritte hielten seine Finger geschmeidig und sein Gefühl für den Rhythmus wach. Bald wurde er ein sicherer Jongleur. Er nahm an, dass er auch noch gelernt hätte, mit sechs Bällen zurechtzukommen, doch der Bader wollte nichts davon wissen, denn es war ihm lieber, wenn er ihm bei seiner Arbeit half. Sie reisten wie die Zugvögel nach Norden, doch statt zu fliegen schlängelten sie sich langsam durch die Berge zwischen England und Wales. In der Stadt Abergavenny, einer Reihe baufälliger Häuser, die an einem düsteren

Weitere Kostenlose Bücher