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Medicus 02 - Der Schamane

Titel: Medicus 02 - Der Schamane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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fraulichen Brüste, die ihn verwirrten, denn trotz der schwachen Beleuchtung konnte er Striemen und Narben erkennen, die eigenartige Symbole bildeten, runenähnliche Zeichen, die vom Brustansatz bis zu den Höfen der Warzen reichten. Obwohl er sich nicht rührte und keinen Ton von sich gab, spürte sie, dass er wach war. Einen Augenblick stand sie vor ihm, und ihre Blicke begegneten sich. Dann wandte sie ihm den Rücken zu - nicht, das ahnte er, um das dunkle, krause Dreieck zu verbergen, sondern um die geheimnisvollen Symbole auf ihrem priesterlichen Busen vor seinem Auge zu schützen. Geheiligte Brüste, sagte er sich staunend. An ihren Hüften und Hinterbacken war nichts Geheiligtes. Sie war zwar großknochig, doch er fragte sich, warum man sie Bärenfrau nannte, denn ihr Gesicht und ihre Geschmeidigkeit erinnerten ihn eher an eine mächtige Katze. Er konnte ihr Alter nicht schätzen. Einen Augenblick lang übermannte ihn die Vorstellung, dass er sie von hinten nahm, in jeder Hand einen der dicken, schwarzen, gefetteten Zöpfe, sie reitend wie ein menschliches Pferd. Erstaunt wurde ihm bewusst, dass er vorhatte, eine rothäutige Wilde zu lieben, die wunderbarer war, als James Fenimore Cooper es sich je hätte vorstellen können, und er spürte eine heftige körperliche Reaktion. Die spontane Erektion konnte auch ein unheilvolles Symptom sein, doch er wusste, dass sie von dieser Frau verursacht wurde und nicht von einer Verletzung, weshalb sie ein Zeichen seiner Genesung war.
    Er lag still da und sah zu, wie sie ein fransenbesetztes Gewand aus Hirschleder anzog. Über die rechte Schulter hängte sie sich einen an einem geflochtenen Riemen aus vier farbigen Lederstreifen befestigten Beutel. Er war mit aufgemalten Symbolen und einem Reif aus großen, leuchtenden Vogelfedern geschmückt, deren Herkunft Rob unbekannt war. Beutel und Reif lagen auf ihrer linken Hüfte auf. Einen Augenblick später war sie nach draußen verschwunden. Bald darauf hörte er von seinem Lager aus, wie ihre Stimme sich - zweifellos in einem Gebet - hob und senkte.
    »Hugh! Hugh! Hugh!« kam die Erwiderung im Gleichklang der Stimmen, dann sang sie weiter. Er hatte nicht die geringste Vorstellung, was sie zu ihrem Gott sagte, aber ihre Stimme jagte ihm Schauer über den Rücken, und er lauschte angestrengt, während er durch den Rauchabzug ihres Langhauses hochblickte zu den Sternen, die aussahen wie von ihrer Stimme in Brand gesetzte Eisklumpen. In dieser Nacht wartete er ungeduldig darauf, dass die Klänge des Kranichtanzes aufhörten. Er döste, wachte auf und lauschte, ärgerte sich und wartete weiter, bis schließlich die Geräusche verklangen, die Stimmen verstummten und die Festlichkeit vorüber war. Er hörte, wie jemand das Langhaus betrat, hörte das Rascheln von Kleidungsstücken, die ausgezogen und zu Boden geworfen wurden. Ein Körper legte sich seufzend neben ihn, Hände griffen nach ihm, seine Finger fühlten warmes Fleisch. Alles geschah schweigend, nur das Einatmen von Luft, ein belustigtes Brummen, ein Keuchen waren zu hören. Er musste nur wenig tun. Er hätte gern die Lust hinausgezögert, doch er konnte es nicht, er hatte zu lange abstinent gelebt. Sie war erfahren und geschickt, er war drängend und schnell - und danach enttäuscht. Als würde man in eine wunderbare Frucht beißen und merken, dass sie nicht das ist, was man erhofft hatte. Als er dann im Dunkeln den Körper erkundete, schienen ihm die Brüste schlaffer, als er sie in Erinnerung hatte, und die Haut unter seinen Fingern war glatt und narbenlos. Er krabbelte zum Feuer, nahm ein glimmendes Scheit und schwenkte es, bis es brannte. Als er dann mit dieser Fackel zum Lager zurückkroch, seufzte er: Das breite, flache Gesicht, das ihn anlächelte, war in keiner Weise unerfreulich, er hatte es nur noch nie zuvor gesehen. Am nächsten Morgen kehrte Makwa-ikwa in ihr Langhaus zurück. Sie trug wieder ihr gewohntes formloses Kleid aus verblichenem, grobem Stoff. Offensichtlich war das Kranichfest zu Ende. Rob J. lag verdrossen da, während sie den Maisbrei für das Frühstück zubereitete, und verbot ihr, ihm je wieder eine Frau zu schicken. Sie nickte auf eine höfliche, unverbindliche Art, die sie zweifellos als Mädchen gelernt hatte, wenn die christlichen Lehrer streng mit ihr sprachen. Die nächtliche Besucherin, die sie ihm geschickt habe, heiße Rauchfrau, sagte sie, und während sie den Brei kochte, erzählte sie ihm ohne Gefühlsregung, dass sie selbst nicht

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