Medicus 02 - Der Schamane
Spieler, der absichtlich auswich, um einem Gegner zu entgehen, nicht gerade mit Ehren überhäuft werde. Für Rob war es ungewohnter Wettkampf, ein fremdes Spiel, der Ausdruck einer wilden Kultur. Warum machte er also mit? Er fragte sich das unzählige Male in dieser Nacht, die er in Pyawanegawas Langhaus verbrachte, da das Spiel bald nach Sonnenaufgang beginnen sollte. Das Langhaus maß knapp zehn Meter in der Länge und gute drei Meter in der Breite, und es bestand aus ineinander verflochtenen Ästen, die außen mit Ulmenrinde abgedeckt waren. Es gab keine Fenster, und die Türöffnungen an den Schmalseiten waren mit Büffelfellen verhängt, deren lose Befestigung genügend Luft hereinließ. Es hatte acht Kammern, vier zu jeder Seite des Mittelgangs. Pyawanegawa und seine Frau Mond schliefen in einer, Monds Eltern in einer anderen, und eine war von ihren zwei Kindern belegt. Die restlichen Kammern dienten als Lagerräume, und in einer davon verbrachte Rob J. eine schlaflose Nacht. Er starrte durch den Rauchabzug im Dach hinauf zu den Sternen und lauschte: Seufzen, das Stöhnen schlechter Träume, Furzen und mehrmals Geräusche, die nur von einer heftigen und leidenschaftlichen Kopulation stammen konnten, obwohl er von seinem Gastgeber nicht einmal ein Grunzen hörte. Nach einem Frühstück aus Maisbrei, in dem er Ascheklümpchen schmeckte und andere Dinge glücklicherweise nicht erkannte, unterwarf er sich am Morgen der zweifelhaften Ehre. Nicht alle Langen Haare hatten lange Haare, die Mannschaften unterschieden sich jedoch durch ihre Bemalung. Die Langen Haare waren mit schwarzer Farbe gekennzeichnet, einer Mischung aus Tierfett und Holzkohle, die Tapferen Männer schmierten sich mit weißem Lehm ein. Überall im Lager tauchten Männer ihre Finger in die Farbtöpfe und verzierten ihre Haut. Pyawanegawa malte sich schwarze Streifen auf Gesicht, Brust und Arme, um dann Rob die Farbe anzubieten. Warum nicht? fragte er sich leichtfertig und schaufelte mit zwei Fingern Farbe aus dem Topf wie ein Mann, der Erbsenbrei ohne einen Löffel isst. Die Masse fühlte sich körnig an, als er sich mit ihr über Stirn und Wangen strich. Wie ein nervöser männlicher Schmetterling bei der Verpuppung ließ er sein Hemd zu Boden fallen und beschmierte seinen Oberkörper. Pyawanegawa musterte Robs schwere schottische Stiefel, verschwand kurz und kam mit einem Arm voll leichter Hirschlederschuhe, wie alle Sauks sie trugen, wieder zurück. Rob probierte mehrere Paare, doch er hatte große Füße, noch größere als Pyawanegawa. Die beiden lachten über Robs Schuhgröße, und der große Indianer gab schließlich auf und ließ ihm seine schweren Stiefel. Pyawanegawa gab ihm einen Netzstock, dessen Stab aus Hickoryholz so kräftig war wie ein Knüppel, und er bedeutete Rob, ihm zu folgen. Die Wettkämpfer versammelten sich auf dem freien Platz in der Mitte der Langhäuser. Makwa-ikwa rief etwas in ihrer Sprache, vermutlich ein Gebet, und bevor Rob J. richtig merkte, was passierte, hatte sie schon ausgeholt und den Ball in die Luft geworfen, der jetzt in einer trägen Parabel auf die Spieler zugeflogen kam. Mit wüsten Stockschlägen und wilden Schreien wurde er empfangen, einige Spieler ächzten vor Schmerzen auf. Zu Rob J.s Enttäuschung fing einer von den Tapferen Männern den Ball in seinem Netz, ein langbeiniger Jugendlicher im Lendenschurz, fast noch ein Kind, aber mit den muskulösen Beinen eines erwachsenen Läufers. Er stürmte sofort los, und die anderen jagten ihm nach wie Hunde hinter einem Hasen. Jetzt waren die Schnellläufer gefragt, denn der Ball wurde einige Male zwischen gleichauf laufenden Spielern abgegeben und war bald weit von Rob entfernt. Pyawanegawa blieb an Robs Seite. Manchmal, wenn es an der Spitze zu Kämpfen kam und die Läufer dabei langsamer wurden, holten sie auf. Pyawanegawa grunzte befriedigt, als einer von den Langen Haaren sich den Ball schnappte, doch wenige Minuten später wurde die Trophäe von den Tapferen Männern zurückerobert. Während die Hauptgruppe am Rand des Uferwäldchens entlanglief, bedeutete Pyawanegawa Rob, ihm zu folgen, bog von der Spur der anderen ab und rannte quer über die Prärie. Ihre stampfenden Füße ließen den Tau von dem jungen Gras hochspritzen, und die Tropfen glichen Insektenschwärmen, die sich an ihre Fersen hefteten. Wo wurde er hingeführt? Konnte er diesem Indianer trauen? Es war zu spät, sich darüber Gedanken zu machen, denn er hatte sich dem Indianer bereits
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