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Medicus 02 - Der Schamane

Titel: Medicus 02 - Der Schamane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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setzte sie auf einen Baumstumpf. Gegen das grelle Sonnenlicht blinzelnd, saß sie da und wiegte das Kind in ihren Armen.
    »Sie haben keinen Krebs.« Es wäre ihm lieber gewesen, wenn er hier hätte aufhören können. »Sie leiden an Blasensteinen.«
    »Dann muss ich nicht sterben?«
    Er war zur Wahrheit verpflichtet. »Mit Krebs hätten Sie kaum eine Chance, aber bei Blasensteinen durchaus.« Er erklärte ihr, wie es zur Entstehung dieser mineralischen Steine in der Blase kommen konnte und dass möglicherweise einseitige Ernährung oder lang anhaltender Durchfall dafür verantwortlich war. »Ja. Nach seiner Geburt hatte ich sehr lange Durchfall. Gibt es eine Medizin gegen diese Steine?« »Nein. Eine Medizin, die Blasensteine auflöst, gibt es nicht. Kleine Steine werden manchmal mit dem Urin ausgeschieden. Sie haben oft scharfe Kanten, die das Gewebe verletzen, deshalb werden Sie vermutlich Blut im Urin festgestellt haben. Aber bei Ihnen sind es zwei große Steine. Zu groß, um ausgeschieden zu werden.« »Dann schneiden Sie mich also? Um Gottes willen?« fragte sie schwach.
    »Nein.« Er zögerte und überlegte, wieviel sie wissen musste. Ein Teil des Hippokratischen Eids, den er abgelegt hatte, lautete: »Ich werde keinen Menschen schneiden, der an einem Stein leidet.« Einige Schlächter ignorierten den Eid und schnitten trotzdem, wobei sie den Damm zwischen Anus und Vulva oder Hodensack durchtrennten, um die Blase öffnen und die Steine herausholen zu können. Nur wenige Opfer genasen nach einer solchen Operation vollständig, viele starben an Bauchfellentzündung, und andere blieben für ihr Leben verstümmelt, weil ein Darm- oder Blasenmuskel durchtrennt worden war. »Ich werde ein chirurgisches Instrument durch die Harnröhre in die Blase einführen. Dieses Instrument nennt man Lithotripter. Es hat am Ende eine kleine Stahlzange, mit der Steine herausgeholt oder zertrümmert werden.«
    »Ist das schmerzhaft?«
    »Ja, vor allem, wenn ich den Lithotripter einführe und wieder herausziehe. Aber die Schmerzen sind weniger schlimm als die, unter denen Sie jetzt leiden. Wenn die Prozedur gelingt, sind Sie vollkommen geheilt.« Es fiel ihm schwer zuzugeben, dass die größte Gefahr in seiner möglicherweise unzureichenden Fertigkeit lag. »Wenn ich bei dem Versuch, die Steine mit dieser Zange zu fassen, in die Blase zwicke und sie durchstoße oder das Bauchfell verletze, können Sie an einer Infektion sterben.« Als er ihr Gesicht betrachtete, sah er, dass sie vielleicht fünf Jahre jünger war, als er angenommen hatte. »Sie müssen entscheiden, ob ich es versuchen soll.« In ihrer Aufregung drückte sie das Kind zu fest an sich, und es begann zu schreien. Deshalb dauerte es einen Augenblick, bis er verstand, was sie geflüstert hatte. »Bitte!«
    Rob J. wusste, dass er bei der Lithotomie Hilfe brauchen werde. Er dachte daran, wie verkrampft die Frau bei der Untersuchung gewesen war, und spürte, dass nur ein weibliches Wesen ihm assistieren konnte. So ritt er von Sarah Bledsoe direkt zum nahen Farmerhaus der Schroeders und sprach mit Alma. »O nein, das kann ich nicht, niemals!« Die arme Alma erbleichte. Ihre Bestürzung wurde noch verschlimmert, weil sie echtes Mitgefühl für Sarah empfand. »Ach, Dr. Cole, bitte, ich kann das nicht.« Als er sah, dass das wirklich zutraf, versicherte er ihr, dass sie deswegen nicht in seiner Achtung sinke. Manche Leute können bei einer Operation einfach nicht zusehen. »Ist schon gut, Alma. Ich finde jemand anderen.«
    Im Wegreiten überlegte er, welche Frau in der Umgebung wohl als Hilfe in Frage kam, schloss die wenigen aber eine nach der anderen aus. Heulsusen nützten ihm nichts, was er brauchte, war eine intelligente Frau mit starken Armen, eine Frau mit einem Herzen, das es ihr erlaubte, beim Anblick des Leidens standhaft zu bleiben. Auf halbem Weg zu seiner Hütte wendete er das Pferd und ritt in die Richtung des Indianerdorfes.

Die Sieben Zelte
    Makwa-ikwa konnte sich an eine Zeit erinnern, als nur wenige ihres Volkes Kleidung des weißen Mannes hatten, als ein zerlumptes Hemd oder ein zerrissenes Kleid etwas Besonderes waren, weil alle anderen gegerbtes und weichgekautes Wildleder und Felle trugen. Als sie noch ein Kind in Sauk-e-nuk war - damals hieß sie Zwei Himmel -, gab es zu wenig Weiße in der Gegend, als dass sie den Lebensstil der Indianer beeinflusst hätten. In der Indianersiedlung gab es eine Armeegarnison, die eingerichtet worden war, nachdem Beamte in

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