Medicus von Konstantinopel
sicher, ob wir uns wirklich auf ihn verlassen können!«
»Es war unvorsichtig, ihn schon so viel wissen zu lassen!«
»Der junge di Lorenzo ist neugierig!«
»Es geht um einen Sturz des Kaisers! Einen Staatsstreich!«
»Davon ahnt er nichts.«
»Aber vielleicht seine Schwester und dieser Schreiber, Davide Scrittore.«
»Du kennst ihn?«
Einer der Maskierten nahm nun seine Maske ab. Es war der mit einem blauen und einem grünen Auge, was nur auffiel, wenn man ihm geradewegs ins Gesicht sah. »Ich habe bereits versucht, das Problem auf andere Weise zu lösen, aber die Männer, die ich beauftragt hatte, haben sich von irgendeinem Kerl in die Flucht schlagen lassen, der ihnen einredete, die Pest sei ausgebrochen!«
»Ich muss mich schon wundern, was für Männer für dich arbeiten, Bruder Nektarios!«, meinte der Großgewachsene. Auch er nahm nun die Maske ab. Das Gesicht von Jason Argiris, dem Kommandanten der kaiserlichen Garde, kam darunter zum Vorschein.
»Es war Gesindel«, gab Nektarios zu. »Gesindel, das niemand je mit dem Ersten Logotheten des Kaisers in Verbindung bringen wird!« Nektarios lachte meckernd. »Man kann sich nicht immer aussuchen, wen man für sich arbeiten lässt!«
»Fest steht, dass wir das Vermögen des Hauses di Lorenzo brauchen«, sagte Jason Argiris. »Ich wüsste nicht, wie wir sonst genug Mittel aus unabhängigen Quellen bekommen sollten, um die richtigen Leute zu bestechen, damit sie stillhalten, wenn der Kaiser – ersetzt wird.« Das kurze Zögern vor dem letzten Wort seines Satzes war bezeichnend. Jemand wie Jason Argiris neigte traditionsgemäß zu einer sehr klaren, strikten Analyse der Lage.
»Es gibt zwei Wege, um an ein Vermögen zu gelangen«, sagte ein anderer Maskierter, der sein Gesicht bisher noch bedeckt hielt. »Der sicherste wäre ein Testament.«
»Das haben wir doch!«, meinte Nektarios. »Marco di Lorenzo hat seine sämtlichen Erbansprüche unverdächtigen Mitgliedern unseres Ordens überschrieben, so wie es jeder unserer Ordensbrüder tut!«
»Nur ist das in diesem Fall ungültig«, sagte der maskiert Gebliebene. »Das Testament, das Maria und Marco di Lorenzo sowie zu einem kleineren Teil diesen Davide Scrittore zu Erben macht, ist nämlich so verfasst, dass der Besitz zusammengehalten und der nächsten Generation erhalten bleibt. Falls Marco stirbt, ohne Nachkommen zu hinterlassen, erben seine Schwester Maria und ihre Nachkommen. Falls aber Marco und Maria beide sterben sollten, bevor es Nachkommen gibt, so wird der Großteil des Guthabens dazu verwendet, die mildtätigen Werke eines gewissen Paters namens Matteo da Creto zu unterstützen, der für manche Leute fast den Status eines Heiligen besitzt, weil er in seiner Jugend an der Pest erkrankte und sie überlebte.«
»Und was schlägst du als den Königsweg vor – falls wir uns nicht darauf verlassen wollen, dass Marco es doch noch schaffen sollte, sich gegen seine Schwester und diesen Schreiber durchzusetzen?«, fragte Jason Argiris.
»Eine Heirat ist im Allgemeinen die effektivste Art der Vermögensübertragung!«, meinte der bisher maskiert Gebliebene, der jetzt sein Gesicht doch noch offenbarte und mit dem Hemdsärmel den Schweiß von der Innenseite der Maske wischte.
Nektarios lächelte breit.
»Wie gut, dass wir einen Rechtsgelehrten von deinem Rang in unseren Reihen haben, Jakob Forlanus, der noch dazu die Einzelheiten gewisser Dokumente so gut kennt, als hätte er selbst sie aufgesetzt!«
Siebzehntes Kapitel
Hoffnung und Verfall
Maria hörte italienische Stimmen, als sie in Begleitung von Davide und Thomás die Hagia Sophia betrat. Söldner aus Venedig und Genua!, ging es ihr durch den Kopf. Mehr als dreitausend angeworbene Krieger waren in den letzten Wochen an Bord von schwer bewaffneten Galeonen in Konstantinopel angekommen und verstärkten die kaiserliche Garde. Ein etwas kleineres Kontingent aus Aragon war auch dabei. Das katalanische Idiom, das Maria zwar einigermaßen verstehen, aber nur schlecht sprechen konnte, war nicht ganz so häufig vertreten wie der venezianische Dialekt. Aber vielleicht fiel ihr das auch nur deshalb auf, weil an diesem Tag mehr Söldner vom Kaiser zusammengezogen worden waren, als es in all den letzten Jahren aus irgendeinem anderen Anlass geschehen wäre.
Athanasius Synkellos sollte heute zum Patriarchen geweiht werden. Faktisch hatte er dieses Amt schon seit der Flucht von Gregor III. Mammas inne, doch nun war der Zeitpunkt gekommen, da er mit allen
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