Medicus von Konstantinopel
das schnell tun – wer weiß, ob sein Sohn nicht eine gänzlich andere Wahl treffen wird als sein Vater. Eine Wahl, bei der jede Frau vermutlich von Anfang an ohne jede Chance wäre!« Er deutete eine Verbeugung an und wandte sich dann an Maria. »Es würde mich freuen, Euch bei Gelegenheit wieder dienen zu dürfen, Maria di Lorenzo!«
»Dazu wird es sicherlich eher früher als später kommen«, gab Maria höflich zurück. »Ihr kennt die Vielzahl der Gesetze und Vorschriften ja am besten und wisst, wie schnell sie sich als Fallstricke erweisen können und man sich vor Gericht wiedersieht.«
»So ist es«, nickte Jakob Forlanus. »Bis bald also …«
Maria warf ihm noch einen Blick nach und wartete, bis Forlanus außer Hörweite war. Dann wandte sie sich an Davide. »Was fällt Euch ein, Davide!«
Der Levantiner wirkte irritiert. »Ich weiß nicht, wovon Ihr jetzt redet, Maria!«
»Wie könnt Ihr jemandem wie Forlanus erzählen, dass ich irgendwelche Angebote irgendwelcher Heiratskandidaten prüfen würde? Das wird früher oder später bei den Maldinis landen, und die werden es als ein Signal der Zustimmung auffassen!«
»Nein, das wird nicht geschehen«, versuchte Davide Maria zu beruhigen.
»Ach nein?«
»Forlanus wird sich hüten! Ja, ist Euch denn nicht klar, dass er eigene Interessen bezüglich Euch hat? Das hat doch ein Blinder sehen können. Und diesen Interessen würde er schaden, wenn er das weitererzählt. Es mag angenehmere Menschen als Forlanus geben, aber eins kann man ihm nun wirklich nicht vorwerfen: dass er ein Dummkopf wäre!«
Maria atmete tief durch. Innerlich kochte sie. Gleichzeitig wunderte sie sich über sich selbst.
Nie zuvor hatte sie auf eine vergleichbare Weise mit Davide Scrittore gesprochen. Der Levantiner mochte zwar dem Haus di Lorenzo dienen, gleichwohl war er für sie auch immer eine Respektsperson gewesen. Ein wohlmeinender, väterlicher Freund, bei dem sie sicher gewesen war, dass er nichts tun würde, was ihr auch nur im Entferntesten hätte schaden können.
Doch auch wenn Davide es letztlich aus Fürsorge getan hatte, war er nun zu weit gegangen! Maria hatte keineswegs die Absicht, den Heiratsplänen, die der Levantiner insgeheim zu hegen schien, zu folgen. Sie wollte ein Handelshaus führen – musste sie da nicht wenigstens auch die wesentlichen Dinge ihres eigenen Lebens bestimmen?
»Ihr seid nicht mein Vater«, erklärte Maria schließlich nach einer etwas längeren Pause, während der sie mehrere Bekannte gegrüßt hatten.
»Ich wollte Euch nur aus einer peinlichen Situation erlösen«, verteidigte sich Davide.
»Davide, ich respektiere Euch. Aber darüber, ob und wen ich heiraten werde, entscheide allein ich selbst! Und falls mir morgen einfallen sollte, in ein Kloster einzutreten, dann würdet Ihr das auch zu akzeptieren haben.«
»Ich werde versuchen, mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass Ihr in der Tat inzwischen erwachsen geworden seid, Maria.« In Davides Gesicht zeigte sich ein verhaltenes Lächeln. Ein weicher Zug war zu sehen – was selten genug bei dem Levantiner vorkam und dadurch von Maria umso eindrücklicher bemerkt wurde. »Wisst Ihr, ich fühle mich eben an die Versprechen gebunden, die ich Eurem Vater gab.«
»Das weiß ich«, gab Maria etwas versöhnlicher zurück. »Das gilt für mich übrigens ebenfalls!«
»Nun, dann sind wir uns ja wenigstens in diesem Punkt einig!«
Während sie ihre Plätze aufsuchten, schaute Maria sich immer wieder um. Sie hatte eigentlich gehofft, Wolfhart hier irgendwo anzutreffen – womöglich sogar auf der Galerie des Kaisers! Das hing natürlich davon ab, für wie wichtig der Kaiser die Bekämpfung der Pest und die Ausmerzung ihrer Seuchenherde nahm.
Von dem jungen Kaufmannssohn aus Lübeck, der nach Konstantinopel gekommen war, um vom besten Pest-Medicus der Christenheit zu lernen, war allerdings nirgends etwas zu sehen. Dasselbe galt im Übrigen auch für seinen Lehrmeister Fausto Cagliari, der noch beim letzten Anlass dieser Art zugegen gewesen war.
Schade, dachte Maria. Es war ohnehin nur eine vage Hoffnung gewesen, ihm hier in der Hagia Sophia zu begegnen.
Die Amtseinsetzung des neuen Patriarchen verlief reibungslos. Angesichts der erdrückenden Präsenz der fremden Söldner war das indes nicht weiter verwunderlich. Bei ihrer Ankunft vor wenigen Tagen im Konstantin-Hafen waren die Männer noch mit begeisterten Jubelrufen von den Rhomäern empfangen worden. Dies hatte sich inzwischen zumindest unter
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