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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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man Gott auch anrief, er schien taub zu sein und sich nicht dazu herablassen zu wollen, machtvoll in das Geschehen einzugreifen. Da lag der Verdacht nahe, dass dem alten Mann die Macht längst abhandengekommen war.
    Der Glaube, so empfand es Marco, war dadurch zu einer Parodie seiner selbst geworden. Und auch wenn es ein ketzerischer Gedanke war, für den er gewiss einige tausend Jahre lang im Fegefeuer zu schmoren hätte, so war er doch nicht mehr bereit, diesen Gott als oberste Autorität anzuerkennen. Und seine irdischen Vertreter schon gar nicht.
    Leptonos war seit den Tagen von Marcos Kindheit unglaublich dick geworden, und die Sänftenträger waren um ihre wahrhaft beschwerliche Aufgabe, ihn herumzutragen, nicht zu beneiden. Der ehemalige Gardekommandant konnte sich nicht einmal aufsetzen. Er lag auf Kissen gebettet da und konnte lediglich die linke Hand etwas anheben, während die rechte genauso gelähmt war wie seine Beine. Aber nach allem, was man über ihn erzählte, war sein Verstand noch immer so scharf, wie es bei nur wenigen sonst der Fall war.
    Leptonos war der Einzige im Raum, dessen Gesicht zu sehen war. Die anderen Anwesenden trugen lange Kapuzenumhänge und Masken aus Bronze, die nur die Augen freiließen und Grimassen schneidende Teufel darstellten. Neidfratzen, wie man sie an vielen Brunnen sehen konnte und deren Aufgabe es war, durch ihren grässlichen Anblick böse Geister zu vertreiben.
    »Lass uns allein!«, verlangte Leptonos von seinem Diener.
    Dieser machte eine ziemlich tiefe Verbeugung und zog sich dann zurück. Dabei schloss er die Flügeltür sorgfältig. Zu Marcos Überraschung wurde von außen ein Schlüssel herumgedreht und ein Riegel vorgeschoben. War es vielleicht doch ein Fehler gewesen hierherzukommen?, ging es ihm durch den Kopf, während er sich misstrauisch und sichtlich irritiert zur Tür herumdrehte.
    »Wir wollen doch ungestört sein«, erklärte Leptonos, und sein feistes Gesicht formte das Zerrbild eines Lächelns.
    »Gewiss«, nickte Marco, wobei sich seine Hand um den Griff des Seitschwertes legte.
    Jetzt meldete sich einer der Maskierten zu Wort. »Leg deine Waffe auf den Boden!«, verlangte er. Seine Stimme klang dumpf unter der starren Bronzemaske, an deren Oberkante die Hörner des Satans angedeutet waren.
    Marco zog das Seitschwert hervor. »Ich habe nie gelernt, mit dieser Waffe zu kämpfen, und wahrscheinlich ist sie auch gar nicht wirklich dazu geeignet«, sagte er etwas verlegen. »Aber sie sieht gut aus.«
    Er legte das Schwert auf den Boden.
    Einer der Maskierten trat vor, nahm es auf und richtete die Klinge auf Marcos Brust. Es war derjenige, der auch zuvor das Wort geführt hatte. Die Augen hinter den kleinen Schlitzen, die die Maske freiließ, flackerten unruhig.
    »Das Wort!«, verlangte er. »Wie heißt das Wort, durch das du dich zu erkennen gegeben hast?«
    »Mein Name ist Legion, denn viele sind wir!«, antwortete Marco mit leicht heiserer Stimme.
    »Gut, so lasst uns reden.«
    »Ich will zuerst sein Zeichen sehen«, meldete sich einer der anderen Maskenträger. »Andernfalls werde ich mich nicht mit ihm abgeben!«
    »Mein Zeichen?«, murmelte Marco.
    »Das Zeichen in deinem Fleisch«, erläuterte der Maskenträger. Seine Stimme war tiefer und seine Statur größer als die der anderen.
    Der erste Maskenträger drehte sich um. »Wir sollten uns nicht länger aufhalten lassen!«
    »Ich bestehe darauf. Wer das Zeichen nicht trägt, dem ist nicht zu trauen!«, beharrte der große Maskenträger.
    Der erste Sprecher mit dem flackernden Blick sah Marco an. »Du hast gehört, was gesagt wurde!«
    Marco schlug den Mantel zur Seite. Darunter trug er eine Lederweste und ein Hemd, so schneeweiß wie die Wolken über Konstantinopel an einem schönen Sommertag. Er rollte den weiten Ärmel auf, bis der Schulteransatz sichtbar wurde – und mit ihm die eingebrannten Buchstaben Lambda und Rho.
    Unter den Maskenträgern kam kurz ein Gemurmel auf.
    Marco trat auf die Gruppe zu, um ihnen das Zeichen besser sichtbar zu machen. Einige Augenblicke sagte keiner von ihnen ein Wort. Marco begegnete ihren Blicken. Dunkle Augen, graue Augen, blaue Augen … Bei manchen der Augenpaare war das Weiße von blutigen Adern durchzogen, die jemand mit einer guten Beobachtungsgabe vielleicht sogar wiederzuerkennen vermochte. Manchmal war es ein ruhiger und dann wieder ein äußerst nervös wirkender Blick.
    Und in einem Fall blickten ihn ein blaues und ein grünes Auge durch den

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