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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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begrüßte.
    »Sieh ihn dir an, diesen scheinheiligen Fädenzieher, der glaubt, dass die Mächtigen Konstantinopels nur Marionetten für ihn sind, die er nach Belieben zappeln lassen kann, wie es ein Puppenspieler auf dem Jahrmarkt tut!«, flüsterte Marco seiner Schwester mit beißendem Spott zu. »Ich habe ihn immer schon verachtet. Unser Vater hat geglaubt, dass Ser Silvestre ihm nützlich wäre, aber in Wahrheit war es der Schneider, der die Fäden in der Hand behielt.«
    »Er hat uns sehr geholfen«, gab Maria zu bedenken. »Und wenn du dich etwas mehr um die Belange unseres Hauses kümmern würdest, wie unser Vater das von uns eigentlich erwartet hat, dann wüsstest du, dass er das auch in letzter Zeit getan hat! Oder glaubst du, es ist selbstverständlich, dass wir heute hier sind?«
    »Vielleicht hat Vater so etwas von dir erwartet, Maria. Von mir ganz bestimmt nicht. Das beweist doch allein die Tatsache, dass er seinen Schreiber zum Zünglein an der Waage bestimmt hat.«
    »Marco, ich denke, im Moment ist nicht der rechte Zeitpunkt, um diese Dinge eingehend zu besprechen. Ich bitte dich, wenigstens jetzt einfach das zu tun, was von dir erwartet wird …«
    »… und wofür mich sowohl Davide als auch du dankenswerterweise eingehend instruiert habt«, vollendete Marco ihren Satz, und der beißende Spott in seinem Tonfall kam jetzt noch deutlicher zum Vorschein. »Keine Sorge, Schwester, ich werde nichts tun, was dir schaden könnte! Ich sehe jedoch das alles inzwischen mit dem Blick eines Fremden, der aus irgendeinem Grund auf der Welt zurückgelassen wurde, obwohl er da eigentlich gar nicht mehr hingehört. Gott wird hoffentlich wissen, warum das so ist.«
    Maria blieb keine Zeit, darauf zu antworten, denn mehrere Kaufleute, die ebenfalls genuesischer Abstammung waren, begrüßten sie nun. Die meisten waren im Haus di Lorenzo ein und aus gegangen. Und nicht wenige hatten während des letzten Pestausbruchs in Pera selbst Angehörige verloren und ihren gesamten Hausrat in Flammen aufgehen sehen.
    »Unsere Zahl ist zusammengeschmolzen«, stellte Bartolomeo Maldini fest, der bereits über achtzigjährige Sprecher der genuesischen Kaufleute, der über lange Perioden hinweg immer wieder zusätzlich die Funktion eines offiziellen Botschafters der Republik Genua am Hof innehatte, die seit dem Ende des von den Venezianern und den fränkischen Kreuzrittern installierten lateinischen Kaiserreichs die Rolle einer verbündeten Schutzmacht einnahm. »Siebenmal habe ich die Pest nach Konstantinopel kommen und wieder aus der Stadt gehen sehen, zweimal haben die Truppen des Sultans die Stadt belagert – und die Stadt existiert immer noch. Sehen wir also in die Zukunft!«
    »Etwas anderes wird uns wohl auch nicht übrig bleiben«, erwiderte Maria.
    »Ihr sprecht von Zukunft, alter Mann?«, konnte sich Marco eine zynische Bemerkung nicht verkneifen. »Ihr seht doch, wie wenige von uns Genuesern noch da sind! Es gibt keine Zukunft – nur ein nie endendes Siechtum!«
    Bartolomeo Maldinis faltiges Gesicht, in dessen Mitte zwei hellwache blaue Augen Marco kurz sehr aufmerksam musterten, ließ sich äußerlich nichts anmerken. Er hatte in den langen Jahren seiner diplomatischen Tätigkeit für die Republik Genua gelernt, seine Gedanken zu verbergen und nicht für jedermann sichtbar auf der Stirn geschrieben zu tragen. »Euer Vater war mir ein teurer Freund, und ich habe wiederholt seinen Rat gesucht, so wie er den meinen«, erklärte Maldini dann sehr ruhig, wobei er Marcos Bemerkung vollkommen überging. »Und falls Ihr meinen Rat braucht, junger Herr, dann werde ich Euch ebenso selbstverständlich jederzeit zur Seite stehen, wie ich es bei Eurem Vater und Eurem Großvater getan habe. Wir Genueser werden zusammenhalten müssen, wenn wir unseren Einfluss behalten wollen.«
    »Gewiss«, nickte Maria.
    »Wir alle wissen nicht, was die Zukunft für Konstantinopel bringen wird und mit welchen Gegebenheiten wir uns noch zu arrangieren haben.«
    »Was auch immer geschieht, werden wir in aller Demut anzunehmen haben«, gab Maria zurück. Sie wusste durchaus, worauf der alte Kaufmann anspielte, ohne es beim Namen zu nennen. Zwei Belagerungen durch die Türken hatte es in der letzten Jahrhunderthälfte gegeben, und es war ganz und gar nicht gewiss, dass Konstantinopel auch noch einer dritten Belagerung würde widerstehen können. Jemand wie Maldini dachte schon seit langem darüber nach, wie sich die Genueser Kaufleute auf eine eventuelle

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