Medicus von Konstantinopel
Brookinger-Hauses befand. Hier fand er Tinte, Bleistifte, Papier und – für sehr wichtige Dokumente – auch einige Bogen Pergament.
Er überlegte zuerst, Feder und Tinte zu nehmen, entschied sich dann allerdings doch für den Bleistift. Mit diesem Schreibgerät war er einfach viel geübter und schneller. In Erfurt hatte er ungezählte Seiten aus gelehrten Schriften exzerpiert – aber auch gelernt, wie Zeichnungen anzufertigen waren. Zu alledem eignete sich der Bleistift viel mehr als die Tinte, überdies musste man nicht immer wieder absetzen, sondern konnte im Schreibfluss bleiben. Allerdings musste man ziemlich stark aufdrücken, denn das Blei färbte nur sehr schwach ab, und wenn das Papier zu schlecht war, konnte es sein, dass es beim Schreiben zerriss; das war der einzige Nachteil gegenüber einer Feder.
Doch in der Kanzlei des Brookinger-Hauses war stets nur Papier von bester Qualität verwendet worden. Seit Adam Brookinger gute Handelsbeziehungen bis nach Venedig unterhielt, bezog er das Papier aus den dortigen Papiermühlen.
In warmherzigen, dennoch sehr klaren Sätzen schrieb Wolfhart einen Brief an seine Eltern, in dem er all das noch einmal zusammenfasste, was er ihnen auch mündlich bereits gesagt hatte – nur, dass er jetzt noch einiges an Erklärungen hinzufügte, um ihnen seine Entscheidung nachvollziehbar machen zu können.
Als er schließlich fertig war und den Brief unterzeichnet hatte, legte er ihn an den Platz, an dem sein Vater die Geschäftsbücher zu bearbeiten und die jeweils aktuellen Zahlen nachzutragen pflegte. Das Oberhaupt des Handelshauses ließ es sich nicht nehmen, das selbst zu tun, denn das Wichtigste für einen Kaufmann war es seiner Ansicht nach, den Überblick über die Zahlen zu besitzen.
Offen legte Wolfhart das Schriftstück dorthin und überlegte, ob er auch tatsächlich alles aufgeschrieben hatte, was ihm wichtig war, und ob er dabei einen angemessenen Ton getroffen hatte. Insgesamt hatte er etwas länger dazu gebraucht, um alles in die richtigen Worte zu fassen, als er ursprünglich angenommen hatte. Die Sonne stand bereits bedenklich hoch am Himmel und schien nun geradewegs durch die Fenster der Kanzlei herein.
Da hörte Wolfhart Schritte hinter sich. Er drehte sich um und sah, wie sein Vater durch die offen stehende Tür stumm auf ihn zuging. Er bemerkte den Brief auf dem Pult, nahm ihn und überflog die Zeilen. Dann nickte er leicht und legte das Papier wieder dorthin, woher er es genommen hatte. Der Bleistift fiel dabei zu Boden, und die Spitze brach ab.
»Du bist also fest entschlossen«, stellte Adam Brookinger fest.
»Vater …«
Mit einer Handbewegung brachte Adam seinen Sohn zum Schweigen und deutete auf das gepackte Bündel, das neben Wolfhart auf dem Boden lag. »Ich habe es geahnt, mein Sohn. Du scheinst es sehr eilig zu haben, Lübeck wieder zu verlassen.«
»Man muss den Tag nutzen, Vater. Das habt Ihr immer gesagt. Und es liegt ein weiter Weg vor mir.«
»Ich will nicht, dass du gehst, aber ich ahne, dass ich dich nicht davon abhalten kann.«
»Martin wird einen guten Kaufmann abgeben. Einen besseren, als ich es je sein würde, ich wäre nicht mit dem Herzen dabei.«
Adams Blick verlor jetzt die Strenge und Entschlossenheit, die ihm sonst eigen waren. Er wirkte jetzt traurig und nachdenklich, und seine Stimme klang belegt. »Wie gesagt, ich will nicht, dass du gehst – doch wenn es sich schon nicht ändern lässt, dann will ich wenigstens verhindern, dass du in Lumpen und auf Schusters Rappen zum Stadttor hinausziehst!«
»Ich bin nicht gekommen, um Euch um Silber zu bitten!«
»Das weiß ich. Trotzdem sollst du genug davon bekommen, damit du dich während der Reise verpflegen kannst und nicht darauf angewiesen bist, jedes Wirtshaus zu meiden, nur weil du es nicht bezahlen kannst! Ich habe ein paar gute Arbeitspferde in unseren Stallungen. Du magst dir darunter aussuchen, welches du möchtest. Außerdem könnten dich ein paar meiner Waffenknechte begleiten.«
»Nein, Letzteres möchte ich ganz bestimmt nicht! Aber ansonsten …«
Wolfhart zögerte, dieses Angebot anzunehmen. Adam Brookinger spürte sofort, was es war, das seinen Sohn zögern ließ; das Band zwischen ihm und seinem Sohn war offenbar immer noch stark genug.
»Ich erwarte nichts dafür, Wolfhart. Weder die Zusage, dass du eines Tages zurückkehrst und deinen Platz hier im Haus übernimmst, noch irgendetwas anderes. Wenn der Herr, unser himmlischer Vater, mit dir ist und
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