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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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der Bittsteller verzeichnet war. Sie war ursprünglich von Nektarios erstellt worden, und Maria wusste, dass Davide Scrittore dem niederen Logotheten dafür eine erkleckliche Summe hatte zahlen müssen, damit die Namen der Erben des Hauses di Lorenzo darauf überhaupt erschienen. Allerdings bedeutete dies nicht, dass sie auf der endgültigen Fassung der Liste immer noch zu finden wären – und schon gar nicht in so führender Position, wie es eigentlich dem Preis entspräche, den Davide bezahlt hatte. Die letzte Fassung der Liste und natürlich auch die Reihenfolge, in der die Bittsteller ihre Anliegen dem Ersten Logotheten vortragen durften, wurde nämlich üblicherweise von Stefanos Pantelis vorgenommen, wobei es erfahrungsgemäß vorkam, dass die Reihenfolge zugunsten von jenen Bittstellern verändert wurde, die das Privileg genossen, mit dem Ersten Logotheten gut bekannt zu sein und ihm Geschenke machen zu dürfen. Es gab nicht einen einzigen höheren Hofbeamten, geschweige denn einen Logotheten, der nicht käuflich gewesen wäre. Maria erinnerte sich daran, wie oft ihr Vater über deren schier unersättliche Habgier geklagt hatte.
    Bartolomeo Maldini, der in Ehren alt gewordene Sprecher der genuesischen Kaufmannschaft, führte die Liste der Bittsteller mutmaßlich an, denn er sollte nun als Erster vortreten. Mithilfe eines Dieners erhob er sich mühsam aus seiner knienden Haltung, die man auch einem alten Mann wie ihm nicht erspart hatte, und schritt dann zu dem Logotheten. Vor den Treppenstufen, die zu dem etwas erhöhten Bereich um den Thron hinaufführten, blieb er stehen. Stefanos Pantelis blickte auf ihn herab, während Maldini sich vor ihm und dem Kaiser tief verneigte. »Herr, die Mauern von Pera sind an mehreren Stellen baufällig. Gestattet uns, sie aus eigenen Kräften instand zu setzen. Es wurde uns zwar versprochen, dass die kaiserlichen Baumeister sich den Schaden ansehen und ihn beseitigen, aber das ist bislang nicht geschehen. Inzwischen hat es mehrere Erschütterungen des Erdreichs gegeben, und seit dem letzten Ausbruch der Pest haben wir kaum noch genug Wächter, um alle Türme wirklich bemannen zu können.«
    Kaiser Johannes gab mit keiner Regung seines Gesichts zu erkennen, dass er den Worten des Kaufmanns überhaupt zugehört hatte. Wie eine regungslose Maske wirkten die Züge des Herrschers auf Maria – diesen Eindruck hatte sie bereits als kleines Mädchen bei den wenigen Gelegenheiten gehabt, da sie dem Kaiser begegnet war. Zu hohen kirchlichen Festtagen beispielsweise pflegte er für jedermann sichtbar in der Hagia Sophia zum Gottesdienst zu gehen. Marias Vater hatte stets Plätze aufgesucht, von wo aus man den Kaiser und seinen engeren Hofstaat jederzeit im Auge behalten konnte.
    Der Erste Logothet begab sich zum Kaiser und sprach mit ihm sehr leise in gedämpftem Ton. Auch die Worte des Kaisers waren kaum zu hören. Das Echo machte es nahezu unmöglich, in diesen Lauten mehr zu sehen als ein wisperndes Orakel, dessen Sinn sich nur dem Eingeweihten erschloss.
    Anschließend kehrte der Logothet zu dem alten Mann zurück. »Die Kolonie in Pera ist der Republik Genua und ihren Kaufleuten zur freien Verfügung und Ausübung ihrer Handelsinteressen überlassen worden. Unser erhabener Kaiser meint, Ihr könntet dort tun, was immer Ihr beliebt, demzufolge seid Ihr auch selbst für die Ausbesserung der Schäden in den Festungsmauern verantwortlich und habt dafür die Kosten zu tragen.«
    »So richte Seiner Erhabenheit aus, dass es nicht darum geht, das Imperium mit Kosten zu belasten, und dass uns sehr wohl bewusst ist, dass diese von den Bewohnern Peras selbst zu tragen sind. Allerdings erbitten wir die Erlaubnis, die Steine von nicht mehr bewohnten Gebäuden in Konstantinopel nehmen zu dürfen, da es unmöglich erscheint, auf anderem Weg schnell genug eine ausreichend große Menge an geeignetem Gestein für die Bauarbeiten nach Pera zu schaffen. Zu unserem Bedauern ist bisher keines unserer diesbezüglichen Gesuche beantwortet worden!«
    Kaiser Johannes sah geistig abwesend aus. Sein Blick wirkte auf Maria so, als würde er ins Nichts blicken. In den letzten Jahren schien er vorzeitig gealtert zu sein. Tiefe Falten durchschnitten sein Gesicht, dessen Linien so hart waren, als wären sie mit einem groben Messer geschnitzt worden.
    Bedächtig schritt der Erste Logothet auf seinen Herrscher zu, blieb in respektvollem Abstand stehen und wartete ab. Er hätte es nie gewagt, Kaiser Johannes

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