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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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seine Hand über dich hält, dann will ich, als dein weltlicher Vater, dem nicht nachstehen und alles dafür tun, dass du erreichst, wonach du auf der Suche bist!«
    Ein paar Stunden später als von ihm geplant verließ Wolfhart Brookinger die Hansestadt Lübeck – hoch zu Ross auf einem kräftigen Apfelschimmel ließ er die Mauern der Stadt hinter sich. Er zügelte noch einmal das Pferd und drehte sich im Sattel um. »Lebt wohl«, murmelte er.

Viertes Kapitel

    Im Palast des Kaisers
    Jeder Schritt erzeugte in den hohen, weiten Säulenhallen des kaiserlichen Palastes ein Echo. Der Palastbezirk war für sich genommen schon größer als in manch anderem Reich die ganze Hauptstadt. Eine Stadt in der Stadt, abgetrennt durch hohe Mauern und in gewisser Weise ein verkleinertes Ebenbild der gesamten Metropole. Dieser Bereich umfasste die äußerste Spitze jener Halbinsel zwischen Goldenem Horn und Marmarameer, auf der die einstmals mächtigste Stadt der ganzen Christenheit lag. Die Mauern erreichten zwar nicht ganz die gigantischen Ausmaße des theodosianischen Bollwerks, waren aber immer noch mächtig genug, um für den Fall der Eroberung der eigentlichen Stadt eine letzte Festung mit eigenem Hafen zu besitzen, in deren Schutz man sich zurückziehen konnte. Die Bevölkerung, die zurzeit noch in der Stadt lebte, war wohl inzwischen schon so weit zurückgegangen, dass wahrscheinlich der Palastbezirk notfalls sogar ausgereicht hätte, um alle Einwohner zu beherbergen – inklusive der genuesischen und venezianischen Kolonisten aus Pera.
    Maria di Lorenzo trug ein vornehmes, brokatbesetztes Kleid für diesen Palastbesuch. Es war eigens für diesen Anlass angefertigt worden, denn von ihrer eigentlichen Garderobe war ihr seit der Ausräucherung des Hauses in Pera ja nichts geblieben. Um dem Anlass einer kaiserlichen Audienz zu genügen, war es vornehm genug, andererseits aber auch so schlicht, dass sich keine der Hofdamen in den Schatten gestellt fühlen musste oder sie gar den Unwillen der sehr mächtigen orthodoxen Geistlichkeit zu spüren bekäme. Schlicht und doch edel, in Demut vor dem Kaiser und doch mit allem gebotenen Selbstbewusstsein einer Frau, die ein Handelshaus vertrat, dessen Begründer letztendlich viel dazu beigetragen hatte, das regierende Kaisertum neu zu begründen.
    Maria hatte durchaus noch Gespräche ihrer Eltern im Gedächtnis, durch die sie vermittelt bekam, welcher Balanceakt der Diplomatie eine Audienz beim Kaiser sein konnte, dessen zur Schau gestellte Erhabenheit und Entrücktheit in einem immer krasseren Widerspruch zu seiner mehr und mehr schwindenden Machtfülle stand.
    Das gute Verhältnis zum Kaiser war für das Handelshaus di Lorenzo von existenzieller Wichtigkeit. Ohne die Handelsprivilegien, die die Genueser Kaufleute eingeräumt bekamen, wäre seine Position kaum haltbar gewesen. Dasselbe galt natürlich für die venezianische Konkurrenz. Aber wenngleich sich der Kaiser seinem Amt entsprechend stets so gebärdete, als sei diese Abhängigkeit einseitig, war sich der gegenwärtige Amtsträger vermutlich mehr als viele seiner Vorgänger bewusst, dass sie in Wahrheit beiderseitig war und die ausländische Kaufmannschaft inzwischen vielleicht sogar ein gewisses Übergewicht besaß.
    Marias Herz klopfte wie wild, während sie an den erhabenen Säulen entlangschritt, an denen jeweils ein Wächter stand – Söldner aus Nordeuropa zumeist. Begleitet wurde sie von Davide Scrittore und von ihrem Bruder Marco, der sich in seiner Rolle als Repräsentant des Hauses di Lorenzo sichtlich unwohl fühlte. Als solcher trug er einen Anzug nach der jüngsten Genueser Mode, angefertigt von einem Schneider, der früher in Pera seine Werkstatt gehabt hatte, nun aber eine der vielen antiken Villen erworben hatte, die in den Außenbezirken an der Theodosianischen Mauer langsam verfielen, weil die meisten von ihnen nicht mehr bewohnt, geschweige denn erhalten wurden. Nach und nach hatten sich in vielen dieser Villen auch Bauern einquartiert, da die Grundstücke, auf denen diese Anwesen errichtet worden waren, sich vorzüglich als Acker- oder Weideland eigneten. Man ließ diese Bauern im Allgemeinen gewähren, denn die eigentlichen Besitzer dieser Anwesen hatten oft schon vor mehr als einer Generation Konstantinopel den Rücken gekehrt und sich längst andernorts angesiedelt. Zudem hätte Konstantinopel durch die landwirtschaftliche Tätigkeit dieser Neusiedler einer möglichen Belagerung länger widerstehen

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