Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
Vom Netzwerk:
dünne Knebelbart, der um das Kinn herum wuchs und ziemlich verfilzt wirkte, sah im Gegensatz zum Haupthaar noch sehr dunkel aus. Dasselbe galt für die sehr buschigen Augenbrauen, die jeweils eine leicht nach oben gebogene Linie beschrieben. Dies gab seinem Gesicht zusammen mit dem kalt wirkenden, leicht spöttischen Lächeln einen beinahe diabolischen Zug. Außerdem waren da diese eisgrauen Augen, deren Blick von einer durchdringenden Intensität war, die einen unwillkürlich frösteln ließ.
    »Wisst Ihr, wer das ist?«, fragte Maria an Davide gewandt, mit einem leichten Kopfnicken in die Richtung des Mannes.
    »Nein, tut mir leid. Ich bin nicht im Bilde.«
    »Er hat mich gerade auf eine Weise angestarrt, die …«
    »Was?«
    »… die mir mehr als unangenehm war. Ich habe das Gefühl, ihm schon mal begegnet zu sein.«
    »Ich kann Euch nicht sagen, wer er ist. Unter den Genueser Kaufleuten habe ich ihn noch nie gesehen. Und um ein Kapitän oder Seeoffizier zu sein, ist er entschieden zu blass, würde ich sagen.«
    »Jedenfalls scheinen seine Geschäfte nicht gut zu laufen, sonst würde er nicht in solchen Lumpen herumlaufen«, lautete Marcos gewohnt spöttischer Kommentar.
    Maria vermied es zunächst, noch einmal in die Richtung des Grauhaarigen zu blicken. Als sie es schließlich doch tat, war er in der Masse der Bittsteller verschwunden. Sie konnte ihn nirgends mehr entdecken.
    Fanfaren erklangen. Der Erste Logothet des Kaisers hielt mit seinem Gefolge Einzug. Sein Name war Stefanos Pantelis, ein dunkelhaariger Mann mit spitzer, leicht nach oben zeigender Nase und dunklen, sehr tiefliegenden Augen. Nektarios, der Maria, Marco und Davide am Tor empfangen hatte, war nur einer seiner untergeordneten Stellvertreter. Er beeilte sich nun, noch rechtzeitig seinen Platz einzunehmen, der sich links von Stefanos Pantelis befand. Wie die anderen hatte er darauf zu achten, nur ja nicht den Blick auf den Herrscher zu verdecken.
    Endlich kam auch der Kaiser herein. Johannes VIII. Palaiologos war ein gebeugt gehender Mann von annähernd sechzig Jahren. Der Bart war grau, die Wangen hohl und eingefallen. Zu seinen Begleitern gehörte ein rothaariger Mann mit kantigem Gesicht, der die Livree der Leibgarde trug. Seine behandschuhte Hand schloss sich um den Griff des Schwertes an seiner Seite. Sein Brustharnisch war messingfarben wie die Schulterstücke an seiner Lederweste.
    Maria wusste, wer dieser Begleiter war. Er hieß Jason Argiris. Zumindest nannte er sich seit ein paar Jahrzehnten so – niemand hatte Kenntnis davon, unter welchem Namen er geboren worden war. Man munkelte, dass er ursprünglich aus einem Bauerndorf auf dem Peloponnes stammte. Andere wollten erfahren haben, dass er sich als einfacher Söldner nach oben gedient hatte und entweder aus Skandinavien oder aus Cornwall stammte und seinen Namen gräzisierte, als er die Offizierslaufbahn einschlug.
    Maria erinnerte sich, Jason Argiris zum ersten Mal auf einem Empfang gesehen zu haben, zu dem die Genueser Kauffahrer geladen hatten. Er galt als eine der wichtigsten Stützen des dahinsiechenden Kaisertums, dem viele kaum mehr Überlebenschancen als einem Pestkranken gaben. Ohne die Loyalität von Jason Argiris’ Garde wäre der Kaiser wohl schon längst einem der Attentatsversuche erlegen, die es immer wieder gegeben hatte und hinter denen vermutlich fanatische Gegner der Kirchenunion standen. Für sie war Kaiser Johannes schlicht und ergreifend ein Verräter und die Ökumene der Kirche nur ein anderes Wort für Ketzerei.
    Alle Anwesenden knieten nun nieder.
    Kaiser Johannes nahm auf dem Thron Platz. Sein Gesicht hatte die Strenge eines bärtigen Heiligen, den man auf den in Konstantinopel allgegenwärtigen Ikonen bewundern konnte. Einige quälend lange Augenblicke vergingen, ehe sich Stefanos Pantelis erhob, zum Kaiser ging und mit ihm so leise sprach, dass man nicht mehr als ein Wispern im Raum zu hören vermochte. Durch den starken Widerhall wurde es zu einem Geräusch, das schwerlich an menschliche Worte erinnerte.
    Dann trat der Erste Logothet in leicht gebückter Haltung und stets dem Kaiser zugewandt zurück, ehe er sich aufrichtete, um ein paar Worte an die Versammelten zu richten. »Johannes VIII., Kaiser von Gottes Gnaden in Konstantinopel und Herrscher im Königreich der Römer, Verteidiger des rechten Glaubens, gewährt Euch in seiner Erhabenheit die Gnade, Euch anzuhören.« Stefanos entrollte ein Dokument. Es war ein dickes Pergament, auf dem eine Liste

Weitere Kostenlose Bücher