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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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bisher mehr von Euch erfahren als Ihr von ihm. Und wer weiß, wem er seine Erkenntnisse weiterverkauft! Wir sind leider auf seine Hilfe angewiesen, weil auf Andreas Lakonidas kein Verlass mehr ist – aber das heißt keinesfalls, dass wir jegliche Vorsicht über Bord werfen sollten!«
    Maria seufzte.
    »Seid kein zu strenger Lehrmeister, Davide! Es gibt so vieles, was ich erst noch erfahren muss und was meine Eltern mir nun nicht mehr beibringen können.«
    »Gott habe sie selig, Maria.«
    »Ja, so wird es sicher sein.«
    Sie gingen eine finstere, fast unbeleuchtete Gasse entlang. An den Seiten bewegten sich Schatten in der Nacht: Bettler, die in den Hauseingängen kampierten, Katzen und Ratten, die hier und da über den Boden huschten. In der Luft hing ein fauliger Geruch, was wohl in erster Linie mit der Windrichtung zu tun hatte. Der Lykos, jener Fluss, der mitten durch die Stadt führte, wurde allzu oft als Kloake benutzt, während das seit den Zeiten des großen Konstantin vorhandene Netz von Abwasserkanälen langsam verfiel. Es war häufig so verstopft, dass – nach dem Dafürhalten mancher Leute – selbst die Ratten dort nicht mehr ausharren mochten und dafür dann lieber in den Straßen herumliefen.
    Aus einigen Tavernen drang noch Musik und zänkisches Stimmengewirr, hin und wieder durchdrungen von schrillem Hurengelächter.
    Die Bettler nahmen alles hin und blieben an diesem fragwürdigen Ort, denn sie hofften wohl, dass diejenigen, die genug Silber hatten, um es in diesen sündigen Häusern auszugeben, auch Mitleid mit Verkrüppelten, Blinden oder aus anderen Gründen gestrauchelten Gotteskindern aufbrächten und ihnen wenigstens ein Stück Kupfer zuwürfen.
    »Ist es noch weit bis zum Triumphbogen des Konstantin, Davide?«
    »Nur noch wenige Schritte, Maria. Auf Michael ist Verlass. Er wird dort auf uns warten.«
    Nachdem sie ein weiteres Mal abgebogen waren, hatte Maria vollkommen die Orientierung verloren. Dafür schien Davide sich hier hervorragend auszukennen.
    Die Gasse, durch die sie nun kamen, war glücklicherweise etwas breiter und auch besser beleuchtet. An der Seite befand sich eine abgegrenzte Feuerstelle, um die eine Gruppe von etwa einem Dutzend Männern stand. Griechische Wortfetzen mischten sich mit slawischen Zungen und ein paar Sprachen, die selbst Maria nie zuvor gehört hatte.
    Davide blieb unvermittelt stehen.
    »Was ist?«
    »Still!«
    Der Levantiner hatte die Hand am Griff des Seitschwertes, während sich die Männer am Feuer plötzlich wie auf ein Zeichen hin alle in Bewegung setzten. Sie schwärmten aus und griffen zu Messern, Knüppeln und Äxten. Hin und wieder sah Maria sogar Schwerter und Parierdolche, wie sie eigentlich nur von den Gardisten des Kaisers getragen wurden.
    Binnen kurzem hatten die nun bewaffneten Männer einen Halbkreis gebildet und blockierten vor Maria und Davide die gesamte Breite der Straße.
    »Los, worauf wartet ihr noch?«, rief einer der Kerle in einem barbarischen Griechisch seinen Kumpanen zu.
    Maria und Davide wichen einen Schritt zurück.
    Hinter sich nahm Maria jetzt ebenfalls Getrappel wahr. Sie wirbelte herum und stellte mit Entsetzen fest, dass auch dort eine Gruppe von abgerissen wirkenden, aber bewaffneten Männern den Weg versperrte. Sie mussten eben aus den noch engeren Nebengassen und den Nischen an den Hauseingängen herausgekommen sein.
    Davide zog sein Seitschwert. Mit dieser schmalen Waffe, die nicht einmal eine ganze Armspanne maß, hätte sich jedoch selbst ein geübter Gardist wohl kaum gegen all diese Männer verteidigen können, aus deren Gesichtern grimmige Entschlossenheit sprach.
    Der Kreis um sie wurde immer enger.
    Unter all den abgerissenen Gestalten fiel Maria ein Mann auf, dem man Nase und Ohren fast völlig abgeschnitten hatte. Ob man ihm dies als Strafe für ein Verbrechen angetan hatte oder ob er selbst Opfer eines Verbrechens geworden war, konnte man diesen furchtbaren Verstümmelungen natürlich nicht ansehen. Sein Atem ging rasselnd durch die verwachsene, haarige Öffnung, die ihm anstelle seiner Nase im Gesicht geblieben war. Dieser Mann schien hier das Kommando zu haben. »Los, schlagt sie tot! Es trifft die Richtigen!«
    Einer der Angreifer wagte einen Vorstoß. Er hielt ein Gardistenschwert, das auf irgendwelchen rätselhaften Wegen in seine Hände gelangt war, bedrohlich auf sie gerichtet. Es hieß, dass der Kaiser mit seinen Soldzahlungen manchmal in Rückstand geriet und die Söldner, die er zur Verteidigung

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