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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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die Burg der Sieben Türme war Maria diese Besonderheit nicht aufgefallen.
    »Es ist das Zeichen des Handelshauses Brookinger aus Lübeck«, erklärte ihr Wolfhart. »Ich weiß nicht, ob man so weit von der Ostsee entfernt überhaupt je etwas von diesem Hafen gehört hat!«
    »Ihr vergesst, dass ich die Tochter und Erbin eines Handelsherrn bin, der mit Waren aus aller Herren Länder Handel getrieben hat. Ob nun mit Seide aus China oder …«
    Er schmunzelte. »Nun?«
    »Stockfisch aus den kalten Gewässern des Nordens, die über Lübeck überall dahin gelangen, wo Christen vor Ostern die Fastenzeit halten!«
    »Stimmt«, nickte Wolfhart. »Stockfisch war immer eines der wichtigsten Güter, und mein Vater reiste mehrfach nach Venedig, um mit den dortigen Händlern Verträge über den Stockfischhandel zu schließen.«
    »Venezianer!«, sagte Maria verächtlich und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Er hätte es in Genua versuchen sollen und gewiss ein besseres Geschäft mit ehrbareren Kaufleuten gemacht!«
    »Wie lange – wenn ich fragen darf – lebt Eure Familie nun schon in Konstantinopel?«, fragte Wolfhart.
    »Alles in allem fast zweihundert Jahre – seit Niccolò Andrea di Lorenzo mithalf, die Stadt von Lateinern, Franken und Venezianern zurückzuerobern, und der Kaiser sich ihm gegenüber dafür durch Handelsprivilegien erkenntlich zeigte«, erzählte Maria nicht ohne Stolz in der Stimme. »Aber das heißt nicht, dass wir nicht im Herzen Genuesen geblieben sind! Im Übrigen haben mein Bruder und ich in Genua auch einen Teil unserer Kindheit und Jugendzeit verbracht.«
    »Ich verstehe. Ich nehme an, der Kaiser wird Euch nur in begrenztem Maß trauen, wenn Ihr so unumwunden zugebt, dass eigentlich Genua Eure Mutter ist – und nicht die Stadt, von der man behauptet, sie sei die größte der Welt.«
    »Nur die größte der Christenheit«, berichtigte Maria. »Die Städte der Muslime sind noch größer. Ich habe einige von ihnen mit meinem Vater besucht …« Ihr Gesicht bekam einen leichten Anflug von Traurigkeit. »Ihr seht, was ich auch über mich erzähle, es hat in der einen oder anderen Weise mit meinen Eltern zu tun und damit, dass ich noch immer nicht verwunden habe, dass die Pest sie so grausam hat dahinsiechen lassen. Manchmal frage ich mich, weshalb Marco und ich überlebt haben. Wir hätten es genauso verdient gehabt zu sterben wie sie, denn wir stammen doch aus derselben Familie und sind darum durch dieselben Sünden unserer Vorväter belastet! Warum nur sie? Und wir nicht? Ist es ein spöttisches Schicksal, das da über uns lacht? Ein grausamer Gott, der meint, uns immer neuen Prüfungen aussetzen zu müssen, und der nur erfahren zu wollen scheint, wie viel ein Mensch in der Lage ist auszuhalten?« Maria biss sich auf die Lippen. Diese Worte waren einfach aus ihr herausgeplatzt. Ein Schwall von Gefühlen hatte sich wie die Flut hinter einem Stauwehr gesammelt, und ein Teil davon war jetzt hervorgebrochen. Sie schluckte und atmete einmal tief durch. »Verzeiht mir, Wolfhart Brookinger! Ich hätte das nicht sagen sollen, und gewiss habt Ihr mehr als genügend eigenes Leid zu tragen, als dass Ihr Euch wünschen könnt, von dem unbedachten Gejammer einer reichen Händlerstochter belästigt zu werden, die sich eigentlich glücklich schätzen könnte, dem Grauen entgangen zu sein.«
    »Aber Ihr seid es nicht.« Wolfhart nickte verständnisvoll.
    »Nein«, flüsterte sie. »Es ist, als ob jegliche Freude aus diesem Leben getilgt worden wäre, und auch wenn es ketzerhaft klingt, selbst das Gebet hat mir das innere Gleichgewicht nicht zurückgeben können, das ich vorher in mir gespürt hatte!«
    »Ich kann gut nachempfinden, was Ihr mir beschreibt«, sagte er jetzt. »Vielleicht besser, als Ihr glaubt.«
    Sie wagte es ein paar quälend lange Augenblicke nicht, ihren Blick zu erheben. Die Scham war zu groß. Sie hatte Dinge aus ihrem tiefsten Inneren offenbart, von denen sie bisher fest überzeugt gewesen war, dass es das Beste wäre, sie blieben in den tiefsten Verliesen ihrer verdunkelten Seele verborgen; eingemauert und auf immer verschlossen vor den Augen und Ohren aller anderen – wenn möglich, sogar Gottes. Zu ihrer eigenen Verwunderung war da, in Gegenwart Wolfhart Brookingers, jedoch auch wieder eine andere Empfindung.
    »Erzählt mir von Euch, Wolfhart! Erzählt mir davon, wie es gekommen ist, dass Ihr den weiten Weg aus Eurer Heimat auf Euch genommen habt, um hier ein Mittel gegen die Pest zu

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