Medicus von Konstantinopel
der Seerepublik mit Kanonen zu bestücken, die ihre Vernichtungskraft ausschließlich auf potenzielle Feinde richteten und etwa nicht die Kanoniere der Verteidiger zerfetzten, indem sie aufgrund des schlechten Materials auseinanderbarsten – wie leider dann in Prag geschehen.
»Nun, ich denke, wir sprechen einfach mit einem der Beamten am Hof, und der wird uns sofort zum Kaiser der Rhomäer bringen, dem wir von unseren exzellenten Fähigkeiten berichten. Vermutlich werden wir als hochbezahlte Bedienstete des Kaisers fortan ein sorgenfreies Leben führen!« Urban wandte sich dem weitaus weniger enthusiastisch wirkenden Wolfhart zu, der gerade einen tiefen Schluck aus seinem Glas nahm, dazu einen Bissen Brot im Mund zerkaute und hinunterschluckte. »Was meinst du? Jemanden, der weiß, wie man die größten Kanonen der Welt bauen kann, und einen, der versucht, die Pest zu besiegen, wird doch wohl niemand abweisen!«
»Nun, ich weiß es nicht …«, meinte der Angesprochene eher etwas kleinlaut.
»Pest und Heiden! Das sind doch die größten Probleme dieser Stadt, sofern auch nur die Hälfte von dem zutrifft, was ich dazu bisher gehört habe und was sich inzwischen bestimmt bis ins Heilige Römische Reich und darüber hinaus herumgesprochen hat, sodass man vermutlich sogar auf der einsamsten Nordseeinsel schon davon gehört hat!« Er lachte und wandte sich an Thomás, der eben eingetreten war. »Wahrscheinlich erzählt man sich davon bereits unter den Bewohnern Eurer nebeligen schottischen Heimat!«
Thomás schien Urban Kanonengießer näher kennengelernt zu haben, schloss Maria aus dessen Worten. Das war kaum verwunderlich. Die Unterkunft des ehemaligen kaiserlichen Söldners lag in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Raum, der Urban und Wolfhart zugewiesen worden war.
»Es gibt noch schlimmere Dinge als Pest und Heiden«, erklärte Thomás daraufhin.
»So?« Urban hob die Augenbrauen, und mehrere tiefe Falten bildeten sich auf seiner Stirn. »Was auch immer es sei, es gibt gewiss etwas, was sich dagegen unternehmen lässt und woraus man dann Profit schlagen kann! Denn es gibt kein Übel auf der Welt, mit dem sich nicht Gold und Silber verdienen ließe, wenn einer kommt, der es beheben kann.«
Thomás’ hageres Gesicht blieb unbewegt. »Das kommt darauf an«, schränkte er ein. »Das Übel, von dem ich spreche, ist nicht so leicht zu bekämpfen – es ist die Uneinigkeit und das Misstrauen gegenüber den eigenen Bundesgenossen. Niemand traut dem anderen, es herrscht ein Netz von Intrigen, in dem keiner dem anderen seinen Erfolg gönnt und sofort eine Gefahr für sich selbst darin erblickt. Wegen minimaler Unterschiede in der Auslegung von Gottes Wort bezeichnet man die Lateiner als Ketzer, und es gibt nicht wenige in der Kirche, die eher den Türken die Tore öffnen, als sich König Alfonso von Aragon oder dem Papst in Rom zu unterwerfen, um Hilfe zu erhalten. Jeder denkt nur an sich, und jeder Beamte, Schreiber oder Logothet hat nur den eigenen Aufstieg im Sinn und ob ihm etwas persönlich Vorteile verschafft! Ihr glaubt, einfach so zum Kaiser gelangen zu können, Meister Urban?« Thomás lachte. »Nicht ohne Bestechungsgelder und Beziehungen. Und selbst dann kann es Euch passieren, dass beides Euch in den Kerker anstatt vor den Kaiser bringt.«
»Stimmt es, dass man den Kaiser nicht direkt ansprechen darf und er auch selbst nicht direkt zu seinen Untertanen spricht?«, mischte sich nun Wolfhart ein. »Man hört bisweilen etwas bizarre Geschichten darüber.«
»Ich war lange in der Garde des Kaisers, und ich kann Euch nur sagen: Jedes Wort, das Ihr darüber gehört haben mögt, ist noch untertrieben! Allerdings scheint in den letzten Jahren das berüchtigte Hofzeremoniell etwas gelitten zu haben.«
Thomás wandte sich nun Maria zu. »Herrin, ich muss Euch dringend unter vier Augen sprechen!«
Maria nickte. »Gewiss!«
»Gehen wir in eins der Nachbarzimmer! Was ich Euch zu sagen habe, ist nicht für die Ohren von Fremden bestimmt!«
Maria strich sich eine verirrte Strähne ihres aufgesteckten Haares zurück und begab sich mit Thomás in einen Nebenraum.
Der Söldner blickte sie mit seinen grauen Augen durchdringend an. Solange er dem Haus di Lorenzo schon diente, so konnte man seinen stets sehr ernsten, manchmal fast schon finster zu nennenden Gesichtsausdruck im Grunde nicht als Gradmesser für den jeweiligen Ernst der Lage nehmen. Doch jetzt spürte Maria, dass es diesmal anders war.
»Eine der Truhen
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