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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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befürchtete ohnehin schon, dass jeder Blick, den sie Wolfhart zuwarf, sie verraten und alles öffentlich machen würde. Wenn auch nur ein Einziger unter den Bediensteten des Hauses zu ahnen begann, was sich zwischen Wolfhart und Maria abgespielt hatte, wäre es wenig später überall bekannt. Zuerst in der Gemeinde der Genueser und wenig später dann auch unter den Kaufleuten. Maria hatte nicht darüber nachgedacht, wie das, was zwischen ihr und Wolfhart begonnen hatte, weitergehen sollte. Er mochte ja der Spross einer Kaufmannsfamilie aus Lübeck sein – aber das hieß noch lange nicht, dass eine Verbindung mit ihm anzuraten wäre. Zumindest wenn man Davides Maßstäbe anlegte – oder die ihres Vaters Luca di Lorenzo. Du bist eine Närrin!, dachte Maria. All diese Gedanken verschleiern dir nur den Blick auf die Wahrheit! Es war nur ein Augenblick! Mehr nicht, auch wenn du es dir von Herzen wünschtest!
    Wolfhart hatte große Ziele. So viel hatte Maria begriffen. Aber zu diesen Zielen gehörte es ganz sicher nicht, ein Ehemann zu sein und eine Familie zu gründen. In diesem Sinn war er vielleicht wirklich ein Mönch ohne Gelübde.
    Gegen Mittag klopften Gardisten des Kaisers ans Tor des Kontors und verlangten nach Wolfhart Brookinger.
    »Ich wünsche dir viel Glück!«, meinte Urban, als Wolfhart abgeholt wurde.
    »Danke. Deine Stunde schlägt auch noch, Urban.«
    »Ja, fragt sich nur, ob mein Bart dann inzwischen so lang wie der des Sultans und vor allem furchtbar grau sein wird! Ach, was rede ich! Schlohweiß wird er sein, so schleppend wie hier die Dinge vorwärtsgehen.«
    »Hab Geduld«, sagte Wolfhart zuversichtlich. »Jemand, der Kanonen gießen kann, wird in einer Stadt, die seit Jahrhunderten belagert wird, ja wohl nicht vor die Hunde gehen!«
    »Was glaubst du wohl, was alles mit solchen Leuten wie mir geschieht!« Urban machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich könnte dir Sachen erzählen.«
    »Ein andermal, Urban! Ein andermal. Die Gardisten werden schon ungeduldig!«
    »Immerhin das haben sie mit mir gemeinsam«, seufzte der Kanonengießer.
    Im Innenhof des Kontors wurde Wolfhart von den Gardisten in die Mitte genommen. Ein Hauptmann sprach ihn an. Seine Stimme war barsch. Sein Griechisch so vulgär, dass Wolfhart es kaum verstand.
    Die Gardisten führten ihn hinaus auf die Straße, wo ein Wagen wartete. Wolfhart stieg auf. Der Wagen setzte sich in Bewegung, noch während die Gardisten ihre Pferde bestiegen, die sie vor dem Kontor an einer der dafür vorgesehenen Querstangen festgemacht hatten.
    Wolfhart hatte absichtlich nicht erwähnt, dass er Besitzer eines Pferdes war, denn er hätte jemandem wie diesem Hauptmann sein Tier niemals anvertrauen wollen.
    Als der Wagen mit den ihn begleitenden Reitern an der Nordseite des Kontors entlangfuhr, bemerkte Wolfhart Maria auf einem der Balkone. Sie beugte sich über die Brüstung und winkte ihm kurz zu. Ein Lächeln stand auf ihrem Gesicht, und Wolfhart erwiderte es. Sein Lächeln war voller Zuversicht. Jetzt, so glaubte er, werde er einen entscheidenden Schritt vorwärtskommen.
    Er atmete tief durch. Wolfhart konnte es kaum erwarten, ein zweites Mal jenem Mann gegenüberzustehen, den er über die Maßen bewunderte und von dessen außergewöhnlichen Fähigkeiten er zu lernen hoffte.
    Fausto Cagliari!
    Wolfhart murmelte diesen Namen, der schon in den Universitätshallen zu Erfurt so erhaben geklungen hatte, in Gedanken vor sich hin. Jetzt kam alles darauf an, dass Meister Cagliari ihn für würdig hielt, ihn in die Geheimnisse der Pestkunde einzuweihen.
    Du träumst!, dachte Wolfhart.
    Der Wagen fuhr mit hoher Geschwindigkeit die Mese entlang. Die meisten der bewaffneten Reiter folgten ihm. Nur zwei von ihnen, darunter der Hauptmann der Gruppe, bildeten eine Vorhut.
    Cagliaris Einfluss bei Hof musste groß sein, so schloss Wolfhart. Anders war diese Vorgehensweise nicht zu erklären.
    Der Wagen hielt schließlich vor dem Palast. Weitere Gardisten schritten durch das Säulenportal, befahlen ihm ziemlich grob, aus dem Wagen zu steigen, und nahmen ihn anschließend in ihre Mitte. Dann zogen sie durch eine Vielzahl von Korridoren und Säulenhallen. Wolfhart hatte einen vergleichbaren Palast noch nie gesehen. Kein Bürgerhaus in Lübeck konnte da mithalten und selbst die gewaltigsten Dome nördlich der Alpen nicht. Und schon gar keine der Burgen, Festungen und Königsresidenzen, die Wolfhart auf dem weiten Weg von Lübeck über Prag nach Konstantinopel in den

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