Medienmuendig
eingedrungen sind, theoretisch auch gänzlich ungenutzt im Schrank verstauben, weil ihre Besitzer lieber musizieren, malen, Sport treiben, Waldspaziergänge machen oder anderes. Unwahrscheinlich, werden Sie sagen, und damit haben Sie leider nur allzu recht, wie der folgende Abschnitt zeigt.
Überstunden am Bildschirm – Nutzungszeiten für verschiedene Altersgruppen
Die Geräte werden genutzt, und zwar ganz massiv. Für die USA kam im Jahr 2009 eine Studie der Kaiser Family Foundation zu dem Ergebnis, dass amerikanische Kinder mehr Zeit mit Medienverbringen als mit irgendeiner anderen Tätigkeit – außer schlafen.
Das durchschnittliche amerikanische Kind (8 − 18 Jahre) ist 7,5 Stunden am Tag den verschiedensten elektronischen Medien ausgesetzt, das sind 52,5 Stunden pro Woche. Mit Fernsehen verbringen amerikanische Kinder allein 270 Minuten (also 4,5 Stunden) pro Tag, dazu kommen etwas über eine Stunde Computer- bzw. Konsolenspiele, anderthalb Stunden »Text messaging« (SMS oder Textbotschaften über Computer und Internet) sowie weitere anderthalb Stunden für Computernutzung außerhalb der Schule. Die Zahlen für Bildschirmmediennutzung würden sich auf insgesamt 8,5 Stunden addieren. Hinzu kommen 33 Minuten Telefonieren und 2,5 Stunden Musikhören. Bei reiner Addition der Zeiten käme man auf 11,5 Stunden Medienkonsum pro Tag. So kann man natürlich nicht rechnen, erklären die Autoren. Durch das Herausrechnen von Überlappungen bei Parallelnutzung verschiedener Medien kommen sie nicht auf 11,5 Stunden täglich, sondern »nur« auf 7,5 Stunden. Die einzige Freizeitaktivität, die im Jahr 2009 im Vergleich zu den Vorjahren abgenommen hat, ist übrigens das Lesen. 5
In Deutschland liegen die durchschnittlichen täglichen Nutzungszeiten für alle Altersgruppen und alle elektronischen Medien zwar erschreckend hoch, aber durchgehend niedriger als in den USA. Kleinkinder zwischen zwei und fünf Jahren sehen nach einer deutschen Untersuchung aus dem Jahr 2003 pro Tag 88 Minuten fern. Dabei widerstrebt es mir, von Fernseh-
Nut zung
zu sprechen, weil das Fernsehen in diesem Alter schadet, nicht nützt (vgl. Kapitel 7). Ich verwende deshalb lieber den Begriff Fernseh-Exposition, also »dem Fernsehen ausgesetzt sein«. Demgegenüber standen damals weniger als 5 Minuten für die Exposition bei anderen Bildschirmmedien wie Spielkonsolen und Computer, so dass man vom Fernsehen als »Leitmedium« für dieses Alter sprach. 6 In den nächsten zehn Jahren könnte diese Position durch mobile Spielkonsolen abgelöst werden.
Wie lange nutzen Jungen und Mädchen Medien (5. Klasse)?
2
Bei Fünftklässlern liegen die Bildschirmzeiten im Schnitt zwischen zwei und drei Stunden pro Tag. Bei Jungen sind die Zeiten deutlich höher als bei Mädchen, besonders am Wochenende. Da verbringt der durchschnittliche zehnjährige Junge schon heute fast fünf Stunden vor Bildschirmen, wovon über die Hälfte Fernsehzeiten sind.
Für Jugendliche trifft heute in Deutschland bereits die für Amerika beklagte Feststellung zu, dass sie mehr Zeit vor Bildschirmen verbringen als mit irgendeiner anderen Tätigkeit, wiederum mit Ausnahme des Schlafens. Die Zahlen in den Abbildungen beziehen sich dabei durchgängig auf die Nutzung außerhalb der Schule. 7 Die Fernsehzeiten sind in den letzten Jahren bei Jugendlichen leicht rückläufig, machen aber nach wie vor mehr als die Hälfte der Gesamtzeiten aus. Dennoch sprechen Medienforscher davon, Internet und PC hätten den Fernseher als Leitmedium in dieser Altersgruppe abgelöst, weil ihre Bedeutung für die Jugendkultur die des Fernsehers übertreffe.
Wie dem auch sei: Wer als erwachsener Leser bisher meint, wir stünden mit der exzessiven und suchtartigen Mediennutzungvor einem reinen Jugendproblem, der irrt. Wie schon oben kurz erwähnt, sind die Spitzenreiter beim Fernsehkonsum in Deutschland gar nicht die Kinder oder Jugendlichen. Je älter ein Deutscher ist, desto länger sieht er fern. Die Generation der über 50-Jährigen lag im Jahr 2010 mit 290 Minuten durchschnittlicher täglicher Fernsehnutzungszeit, also knappen 6 Stunden, ganz vorn. Die Fernsehzeiten bei Erwachsenen nehmen heute auch nicht etwa wegen Verdrängung durch andere Bildschirmmedien ab, sondern sie werden immer länger. 8
Wie lange nutzen Jugendliche Medien (9. Klasse)?
2
KAPITEL 7
Wie die Medien wirklich wirken
Getreu dem Motto »Probieren geht über Studieren« beginnt das Kapitel zu den Auswirkungen von
Weitere Kostenlose Bücher