Medienmuendig
machen die Medien mit den Menschen, die etwas mit den Medien machen?« Leisten die Medien das, was die Menschen sich von ihnen versprechen? Mal tun sie es, sagt die Forschung, und häufig genug tun sie es nicht, zumindest langfristig gesehen, wie wir schon in Kapitel 5 am Beispiel Bildung gesehen haben. Mehr dazu weiter unten.
Ein sehr großer Bereich dessen, was beim Erwachsenen Medienmündigkeit ausmacht, lässt sich jedenfalls nur gut beschreiben, wenn wir wie beim Limerick oben noch um eine Ecke mehr denken: »Medienmündig ist, wer die Entscheidung, was er mit den Medien macht und was lieber ohne Medien, auf dem Wissen darüber aufbaut, was die Medien langfristig mit Menschen machen, die etwas mit Medien machen.«
Machen Medien dick, dumm, unkonzentriert, gewalttätig?
Für Kinder und Jugendliche ist die Antwort einfach, denn wenn nur solche Studien berücksichtigt werden, die methodisch Hand und Fuß haben, heißt die einfache Antwort: »Bildschirmmedien schaden.« Eine große Meta-Analyse von 2010 aus den USA fasst zusammen:
82 Prozent aller Längsschnittstudien unterstützten einen Kausalzusammenhang zwischen Medienexposition und negativen Gesundheits-Outcomes. […] Die stärksten Zusammenhänge haben wir zwischen Bildschirmmediennutzung und Rauchen und Übergewicht gefunden. Mittlere Zusammenhänge bestehen zu Schulversagen, Alkoholkonsum und Drogenkonsum sowie ein schwacher Zusammenhang zu ADHS. Wir finden zwar eine hohe Variabilität in der methodischen Qualität der Einzelstudien, aber es gibt kein Gesundheits-Outcome, für das höhere Medienzeiten mit einem positiven Gesundheits-Outcome zusammenhängen. 20
Das bedeutet, dass bei der zusammenfassenden Analyse von 173 Einzelstudien keine positive Wirkung des Medienkonsums auf irgendeinen der untersuchten Bereiche festzustellen war. Für die gezielte Finanzierung von Studien, die geeignet sind, positive Medienwirkungen nachzuweisen, auch wenn vielleicht gar keine da sind, wird es im folgenden Kapitel 8 einige Beispiele geben. Solche Augenwischer-Studien wird man immer finden, wenn man lange genug sucht. Wenn es um die Interessen der Medienindustrie geht, ist diese Suche verständlich. Im Interesse unserer Kinder sollten wir aber als Erwachsene gute von schlechten Studien unterscheiden lernen.
Exkurs zu Henne und Ei – Werden Sie selbst zum Medienforscher!
Mithilfe der folgenden sechs Fragen können Sie auch als Nicht-Medienwirkungsforschungs-Experte schnell erkennen, ob eine Studie taugt oder nicht:
Gibt es eine Vergleichsgruppe? (Systemvergleich statt Produktvergleich!)
Wie lang war der Untersuchungszeitraum? (langfristige oder
kurzfristige Wirkungen)
Was wird genau gemessen? (z. B. Motivation oder Faktenwissen oder prozedurales Wissen)
Geht es um Einzelfälle oder statistische Zusammenhänge?
(intervenierende Variablen, s. u.)
Für welche Altersgruppe wurde ein Effekt untersucht? (Abhängigkeit vom Entwicklungsstand)
Wie wurden die Befragten ausgewählt? (Selektionseffekte)
Zunächst ein erfundenes Beispiel für eine Studie, die Sie getrost unter »Spreu« einordnen dürften: Fünf 12-Jährige, die eine Sendung über Delphine gesehen haben, können nach der Sendung verschiedene Delphinbilder ihren entsprechenden Namenskarten besser zuordnen als zuvor. Es wäre durchaus möglich, dass dann bestimmte Zeitungen titeln: »Neue Studie: Fernsehen macht Kinder schlau!« Die Studie hinkt aber nicht nur auf einem, sondern gleich auf mindestens vier Beinen. Die Vergleichsgruppe fehlt. Das wären zum Beispiel Kinder, die statt der Sendung im gleichen Zeitraum ein Buch über Delphine gelesen hätten. Zweitens: Der Untersuchungszeitraum (wenige Stunden) ist zu kurz. Wie viel haben die Kinder alsbald wieder vergessen, wie viel behalten? Drittens: Fünf beteiligte Kinder sind zu wenig, um allgemeine Aussagen ableiten zu können. Viertens: Getestet wurde nur das Faktenwissen (Delphin und Namen zuordnen), nicht das prozedurale Wissen (selbst Problemlösestrategienentwickeln). Und schließlich: Ob man 12-Jährige überhaupt noch »Kinder« nennen sollte?
Und warum ist es wichtig, wie man die Studienteilnehmer auswählt? Wenn Sie die Schlagzeile lesen: »Das Internet ist den Deutschen wichtiger als das Auto«, werden Sie sich vielleicht fragen, wer denn in diesem Fall »die Deutschen« sind. Die Schlagzeile gibt es wirklich, allerdings gelangte Prozessorhersteller AMD ausgerechnet mithilfe einer Online-Befragung zu diesem Ergebnis. 21 Hätte man
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