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Medienmuendig

Medienmuendig

Titel: Medienmuendig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Bleckmann
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Bildschirmmedienkonsum auf den Menschen nicht mit der Aufzählung neuerer wissenschaftlicher Studienergebnisse, auch nicht mit dem spannenden Verlauf der Geschichte der Medienwirkungsforschung. Das kommt später.
    Zuerst also zum Probieren: Wenn Sie wissen wollen, wie die Medien wirklich wirken, dann fangen Sie bei sich selbst an. Beobachten Sie sich, und überlegen Sie, wann und wozu Sie überhaupt Medien nutzen. Beschränken Sie sich ruhig auf Bildschirmmedien wie Fernsehen, iPod, Computer, sonst wird es schnell übermäßig kompliziert. Wie fühlen Sie sich während der Mediennutzung, wie fühlen Sie sich davor und danach? Gibt es Unterschiede in Ihrer Befindlichkeit, etwa nach einem Arbeitstag am Computer und einem Arbeitstag ohne Computer? Wie nehmen Sie Ihren Körper wahr nach einem Fernsehabend, nach einem Leseabend oder einem ausgedehnten Spaziergang? Wenn Sie sich zusätzlich fragen, was Sie an Medienwirkungen bei anderen beobachten, ergibt sich vielleicht noch ein etwas anderes Bild. 17
    Ich kann Ihnen schildern, was meine Seminarteilnehmer antworten, wenn ich solche Fragen stelle. Neben einigen Vorteilen werden mir regelmäßig drei Bildschirm-Nachteile genannt: das Einschlafen vorm Fernseher (»ich wollte eigentlich nur Nachrichten schauen«), das Hängenbleiben vor dem Computer (»ich wollte nur mal kurz meine Mails checken«), auch das Gefühl der Leere oder der veränderten Wahrnehmung nachdem Konsum von Bildschirmmedien (»das war so ein schales Gefühl«). Zum letzten der drei Punkte pflegte Heinz Buddemeier als Medienpädagogik-Professor mit Seminarteilnehmern und Studenten zum Auftakt einer Veranstaltungsreihe über Medien ein kleines »Experiment« zu machen: Er führte die Teilnehmer aus dem Seminarraum hinaus in den Wald und stellte ihnen die Aufgabe, genau zu beobachten.
     
    Wie spricht der Ort, wie sprechen Tageszeit und Jahreszeit? Danach wurde, zurück im Seminarraum, eine halbstündige Nachrichtensendung angesehen, und anschließend gingen wir wieder in den Wald und suchten dort dieselbe Stelle auf. Die Teilnehmer waren erschüttert. […] Nichts von dem, was sie vorher erlebt hatten und was ihnen eine Freude gewesen war, wollte sich wieder einstellen. […] Wer fernsieht, so lehrt das Experiment, kann das, was die Welt interessant macht, nicht sehen. Kein Wunder, dass dann lieber ferngesehen wird. 18
     
    Probieren Sie doch einmal diese Beobachtung an sich selbst aus! Womöglich erleben Sie dabei keine oder nur eine geringe Abstumpfung der Erlebnisfähigkeit, beobachten dafür aber andere spannende Veränderungen. Das macht nichts. Im Gegenteil, es ist sogar gut, weil dieser Unterschied ein Kernproblem der Medienwirkungsforschung aufdeckt: Die Wirkung eines Mediums kann von der Person abhängen, die das Medium nutzt. Damit sind wir beim historischen Verlauf der Medienwirkungsforschung angelangt: Mitte des 20. Jahrhunderts gingen die Forscher von einem sehr einfachen Modell aus, von einem passiven Rezipienten, auf den die Medien sozusagen von außen einwirken. Man fragte also:
    »Was machen die Medien mit dem Menschen?« Wie beeinflussen oder manipulieren die Medien den Menschen, zum Teil auch, ohne dass er sich dessen bewusst ist? Besonders in Deutschland entspann sich eine sehr kontroverse Debatte um Manipulation durch Massenmedien. Man stand damals noch ganz unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs und des Einsatzesvon Zeitung, Rundfunk und Film durch die Propagandamaschinerie des NS-Regimes. Anschließend vollzog sich Schritt für Schritt ein Wechsel der Perspektive. Man interessierte sich nun zunehmend für Unterschiede zwischen den verschiedenen Nutzern und für die Wahlmöglichkeiten des aktiven Mediennutzers: Auf welche Weise nutzen Rezipienten die Medien, um ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen? Oder einfacher gesagt: »Was machen die Menschen mit den Medien?« Es entwickelte sich dabei der interessante Ansatz von Nutzen und Belohnung, der leider oft falsch verstanden wird (vgl. Kapitel 4). Welche der beiden genannten Fragen die richtige ist, kann man nicht angeben, denn die Wirklichkeit ist noch viel komplizierter. Dazu erst ein Limerick zur Gewöhnung an dauernde Perspektivwechsel, dann die weitere Erklärung:
    A man who was new to the zoo
    Was put in charge of the gnu.
    The gnu knew he was new
    And he knew the gnu knew
    And the gnu knew he knew the gnu knew. 19
    Die nächste Stufe in der Erforschung von Medienwirkungen war nämlich, beide Fragen zusammenzubringen: »Was

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