Medienmuendig
für eine Maschine zu halten beginnen und was dagegen getan werden könnte. Er wies immer wieder darauf hin, die Entscheidungsgewalt müsse auch dann beim Menschen bleiben, wenn man den Computer als Werkzeug einsetze.
Und was folgt aus alledem für die Beantwortung der Frage: Wie wirken die Medien wirklich? Manfred Spitzer (2005) berechnet für die körperlichen Folgen des Bildschirmmedienkonsums in Deutschland im Jahr 2020 jährlich etwa 40 000 zusätzliche und vermeidbare Todesfälle aufgrund von Herzinfarkten,Zuckerkrankheit und Schlaganfällen sowie Lungenkrebs. Das ist dramatisch! Die körperlichen Folgen verharmlose ich keineswegs, wenn ich auf die aus meiner Sicht noch gravierenderen seelischen und geistigen Schäden zu sprechen komme.
Es entsteht durch die Medien eine schleichende Erosion in der Qualität der Begegnung zwischen Menschen. Die dramatischen Folgen dieser Erosion sind beim Kind der Verlust des Spiels, beim Erwachsenen der Verlust der Spiritualität, bei beiden letztendlich die tiefe Verunsicherung, was sie überhaupt als Person einzigartig und unersetzlich macht. 39 Man könnte fragen, wie viele tausend vermeidbare »innere« Todesfälle in diesem Sinne es wohl gibt. Es könnten durchaus mehr sein als die von Spitzer genannten 40 000. Warum ist das so schlimm? Ein Mensch wird sich umso bereitwilliger von Maschinen lenken lassen, je mehr er sich selbst im Grunde auch nur für eine Maschine hält, und damit ist die Medienmündigkeit extrem gefährdet. Je früher im Leben eines Menschen eine Beeinflussung in diese Richtung geschieht, desto gravierender wird sie sein – und desto unbemerkter wird sie bleiben. Warum? Zuckerkrankheit oder schlechte Noten können auch von den Betroffenen selbst bemerkt werden. Sich selbst für eine Maschine zu halten dagegen ist für den Betroffenen ja gar kein Schaden, sondern eine Selbstverständlichkeit. Die Medien können, im Zaum gehalten und dosiert genutzt, das Leben von Menschen ab einem gewissen Alter bereichern (vgl. Medienreife-Tests in Kapitel 13). Aber sie können auch manipulieren, schädigen und süchtig machen. Das hängt stark von der Art ab, wie wir gegenüber den Medien eingestellt sind. Das wird wohl der Grund sein, warum Weizenbaum, der selbst ernannte »Ketzer der Informatik«, sich gerade nicht als Computerkritiker, sondern als Gesellschaftskritiker bezeichnete.
KAPITEL 8
Trau, schau, wem … – das Einmaleins der Manipulation
Lassen Sie sich nicht einschüchtern von Menschen, die behaupten, Kinder würden etwas verpassen oder auf das Computerzeitalter schlecht vorbereitet sein, wenn sie nicht von klein auf mit dem Computer in Kontakt kämen. Die Menschen, die solches behaupten, wollen ihnen unweigerlich irgendetwas verkaufen.
ARMSTRONG UND CASEMENT 2000, S. 19
Wer sollte denn überhaupt etwas dagegen haben, dass die Generation unserer Kinder medienmündig wird? Gegen Selbstbestimmtheit kann doch eigentlich niemand etwas haben! Außer natürlich, wenn es um Geld geht. Um richtig viel Geld.
Im folgenden Kapitel steht die Frage im Mittelpunkt, mit welchen Strategien Medienprodukte vermarktet werden. Dabei wird es in der Hauptsache um Vermarktung an junge Zielgruppen, an Säuglinge, Kinder und Jugendliche gehen. Dazu ist es hilfreich, wenn Sie als Leser ein bisschen Erfahrung im Theaterspielen mitbringen. Warum? Weil es von großem Vorteil ist, wenn Sie sich für eine kurze Weile in eine völlig andere Rolle hineinversetzen können. Seien Sie für eine Weile einer von den Leuten, vor denen im obigen Zitat gewarnt wird, einer von denen, die etwas verkaufen wollen! Die Methoden der Marketingfachleute sind viel besser zu verstehen, wenn man deren Perspektive einnimmt. Und ein Verständnis der Strategien ist im nächsten Schritt dann die beste Voraussetzung. diesen Manipulationsbemühungen zu widerstehen. Anders gesagt: Hoffentlich lässt sich einer, der selbst einmal ernsthaft darüber nachgedachthat, wie man andere möglichst geschickt für dumm verkauft, nicht mehr so leicht für dumm verkaufen.
Der Nörgelfaktor: Eltern manipulieren leicht gemacht
Zum Einstieg empfehle ich wärmstens einen Ausschnitt aus dem Film
The Corporation
von Mark Achbar, Jennifer Abbott und Joel Bakan. Die Marketingfachfrau Lucy Hughes schildert darin ganz begeistert eine Studie, in der gezeigt werden konnte, dass Nörgeln sich in hohem Maße verkaufsfördernd auswirkt. ( http://www.youtube.com/watch?v=Hi63rXnuWbw )
Das ist ja wunderbar! Je nach
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