Medienmuendig
viel über andere Möglichkeiten zum Erreichen derselben »Lernziele« nachgedacht wird. Aber dazu kommen wir später noch (Stichwort digital natives). Hände weg vom Systemvergleich! Wir verkaufen eben keine Sparschäler oder Stricknadeln, sondern Computerspiele. Das ist fairer Wettbewerb, keiner hindert die Hersteller von Sparschälern oder Stricknadeln daran, auf ihre Produkte groß draufzuschreiben: »Schult die Feinmotorik!«
Oder nehmen wir einmal die Broschüre des BIU (Bundesverband für Interaktive Unterhaltungssoftware). Sie trägt den Titel »Spielen verbindet« und demonstriert eindrucksvoll, was es heißt, mit der Wahrheit kreativ umzugehen:
Spielen ist für Kinder und Jugendliche ein wichtiger Bestandteil der Entwicklung. Sie trainieren dabei ihre Geschicklichkeit, schlüpfen in fremde Rollen, lernen fremde Welten und das Befolgen von Regeln kennen. 48
Hier wird beispielhaft dargestellt, wie man mit allgemeinen Aussagen über das »Spielen« einen positiven Einstieg ins Thema finden kann, der keine Unwahrheiten enthält. Anschließend erst wird »konkretisiert«.
Bei der Vielfalt an Computerspielen ist es selbst für Experten schwer, den Überblick zu behalten. »Spielen verbindet« möchtedeshalb Eltern und Erziehenden Tipps geben, wie sie für ihr Kind das richtige Spiel finden.
Richtig! Es handelt sich um eine Broschüre über Computerspiele, nicht um einen Ratgeber über Spielen. Wir rühren nicht an das empfindliche Thema, dass Computerspielen und Spielen zueinander in zeitliche Konkurrenz treten könnten, sondern verwenden einfach im folgenden Broschürentext das positiv besetzte Wort »Spiel«, wenn wir »Computerspiel« meinen.
Wie gesagt, es geht darum, Eltern davon zu überzeugen, dass Computer gut für ihre Kinder sind. Dazu können wir auch ganz direkt als Sponsoren für »Bildungsprojekte« tätig werden. Microsoft macht mit seiner »Schlaumäuse«-Initiative derzeit vor, wie wir als Hersteller von früher Kundenbindung profitieren und dabei für unsere heimtückischen Danaergeschenke noch Dank und Anerkennung bekommen können.
Um die Schlaumäuse-Software in möglichst vielen Kindergärten einsetzen zu können, arbeitet Microsoft bei der PC-Ausstattung der Kindergärten mit zahlreichen Partnern zusammen. Neben den Partnern aus Politik und Wirtschaft engagieren sich viele Vertriebspartner aus dem Microsoft-Netzwerk mit finanziellen und technischen Mitteln für die Initiative. 49
Besonders wirkungsvoll ist es natürlich, wenn diese Art von Engagement mit begleitender Evaluation gekoppelt ist, wie etwa der Befragung von Erzieherinnen in den beteiligten Kindergärten:
Das Microsoft-Lernprogramm »Schlaumäuse – Kinder entdecken Sprache« fördert die Sprach- und Medienkompetenz der Kinder im Vorschulalter. Das bestätigte jetzt eine Befragung von über 80 Kinderbetreuungseinrichtungen im Raum Darmstadt, die die Lernsoftware seit über einem Jahr einsetzen. Die Ergebnisse der Studie wurden heute im Pfungstädter Kindergarten »Bimbambino« von Brigitte Zypries, Bundesjustizministerin und Darmstädter Bundestagsabgeordnete (SPD), und dem Vorsitzendender Geschäftsführung der Microsoft Deutschland GmbH, Achim Berg, vorgestellt. 50
Hier bestätigt also sogar eine Ministerin gratis die Glaubwürdigkeit eines Produkts. Das verstärkt noch die Botschaft, mit deren Hilfe wir schließlich sogar die »Spaßverderber«-Eltern zum Kauf eines eigenen Computers für ihr Kind motivieren können und werden: Schlaumäuse machen schlau! Computer bilden! Das ist ein Beispiel, bei dem wir stolz darauf sein können, durch eine öffentlichkeitswirksame Kombination von finanziellem Engagement plus Evaluation (deren Studiendesign hoffentlich nicht allzu genau unter die Lupe genommen wird 51 ), für wirklich gute Presse zu sorgen.
Es passieren aber auch immer wieder peinliche Pannen: zum Beispiel die Sache mit den rumänischen Computer-Bildungsgutscheinen. Man wollte Kindern aus benachteiligten sozialen Schichten Zugang zu moderner Technologie ermöglichen, um ihre Zukunftschancen zu verbessern. Dafür wurden Gutscheine verlost, mit denen auch Eltern, die sich das sonst nicht hätten leisten können, einem ihrer Kinder einen eigenen Computer kaufen konnten. Ein guter Ansatz, der viel positive Öffentlichkeitswirkung hätte entfalten können: Was dann geschah, ist unglücklicherweise langfristig und mit einer Vergleichsgruppe wissenschaftlich untersucht worden. Die Computer
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