Medienmuendig
Nein, das war erst der Anfang.
Connexity Kids – Wie man »Gemeinschaftserlebnisse« vermarktet
Wie wichtig Gemeinschaftserlebnisse für Kinder sind, haben wir von den bei uns angestellten Entwicklungspsychologen gelernt, aber auch diese Erkenntnis lässt sich im Sinne eines Vermarktungsdenkens nutzen: Eine wichtige Grundlage für unsere Arbeit in dieser Richtung ist die Untersuchung von Saatchi & Saatchi, einer weltweit führenden Marketingagentur, für die einPsychologen- und Anthropologenteam die Generation der heutigen Kinder, »Generation Y«, untersuchte. Aus den Ergebnissen der Studie leiten sie folgende Ratschläge ab:
Um Konsumenten zu gewinnen, sollten in der Kinderproduktbranche die Verkäufer ihr Ziel ändern: Weg von der Vermarktung eines Produktes, hin zur Vermarktung eines Gemeinschaftserlebnisses … So gewinnen Sie die Loyalität derer, die Saatchi & Saatchi die heutigen »Connexity Kids« nennt. 44
Mit anderen Worten: Heute verkaufen wir ein Produkt, indem wir dem Konsumenten beibringen: Das musst du haben, sonst gehörst du nicht dazu! Wir erinnern uns an die Ratschläge unserer Kollegin: »Spielen Sie die Unsicherheiten von Teenagern aus – eine bewährte Strategie. Auch das wird Sie aber nicht allzu weit bringen, wenn sie eine schale Kampagne oder veralteten Slang verwenden
.
« 45 Jedenfalls hängt unser Erfolg beim Marketing an Kinder und Jugendliche davon ab, ob wir die Botschaft vermitteln können: Ob du dazugehörst oder nicht, hängt nicht davon ab, wer du bist, sondern was du besitzt! (Falls Sie eine kleine Pause während der Theaterprobe nötig haben, bietet sich wieder eine Fußnote für Medienmündige an. 46 )
Doch zurück zu unseren Sorgeneltern. Sie treffen selbstbestimmte Kaufentscheidungen, und man kommt über den Umweg des nörgelnden Kindes nicht an sie heran. Auch auf die Botschaft, ihre Kinder bräuchten Medienprodukte, um dazuzugehören, springen sie viel schlechter an als die anderen Gruppen. Was tun? Wir wollen Produkte an Kinder verkaufen. Die Eltern sind, jedenfalls bei jüngeren Kindern, das größte Verkaufshemmnis. Alle Eltern wollen aber, davon gehen wir aus, im Grunde das Beste für ihr Kind. Wenn wir also den Eltern vermitteln könnten: »Die Medien sind das Beste für Ihr Kind«, dann knacken wir diese Verkaufshemmnisse.
Computer bilden! So überreden wir auch die letzte Mutter zum Kauf
An dieser Stelle muss ich, nun nicht in der Rolle als Werbefachfrau, sondern als Paula Bleckmann erklären, dass ich seit Jahren auf Elternabenden mit Eltern und Lehrern diese Art von Rollenwechsel übe. Die Aufgabe lautet dann: Stellen Sie sich vor, Sie sind Marketingchef bei einem Softwarehersteller, und Sie verdienen Ihr Geld, indem Sie Computerspiele für Kinder vermarkten. Fast immer braucht es dabei noch einiges an Überwindung, bis die ersten Ideen kommen. Nach den ersten flotten Slogans sind die Eltern dann aber kaum noch zu bremsen, und sie erfinden Werbebotschaften für Plakate oder Spieleverpackungen oder für Fernsehspots:
Schult die Feinmotorik!
Spielerisch rechnen lernen!
Fördert die Kreativität!
Schnelles Reaktionsvermögen trainieren!
Vernetzt denken lernen!
Spielerisch soziale Kompetenzen fördern!
Anschließend sehen wir uns in der Regel gemeinsam eine real existierende Plakatserie an:
Liebe Lehrende, wer am Computer spielt, lernt aus Fehlern, kontrolliert sich selbst, findet eigene Lösungen, denkt komplex, unterbietet vorgegebene Zeiten, vergisst das Ende der Stunde, recherchiert zu Hause, arbeitet im Team − sogar am Wochenende. Man könnte auch sagen: Er lernt das Lernen.
Mehrere weitere Plakate aus derselben Serie enthalten ähnliche Botschaften:
Liebe Mütter, während einer LAN-Party vernetzen Ihre Kinder mitunter Hunderte PC. Sie entwickeln dabei ganz selbstverständlichkomplexe Lösungen, gemeinsam und auf höchstem Niveau. Die deutsche Wirtschaft sucht nach wie vor Fachkräfte mit den Fähigkeiten Ihrer Kinder. 47
Ein Kompliment an die Elternabend-Besucher. Mit ihren Ideen liegen sie fast immer sehr nah an den Ideen der wirklichen Marketingleiter, in deren Rolle wir jetzt weiterdenken. Nun muss natürlich das, was wir dort auf die Plakate schreiben, auch zumindest ansatzweise stimmen. Halbwahrheiten sind dabei viel besser als direkte Lügen. Man kann auch mit einem Campingkocher ein Zimmer heizen. Oder etwa nicht? Und man kann auch mit einem Computerspiel die Feinmotorik trainieren. Ungünstig ist es, wenn zu
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