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Medienmuendig

Medienmuendig

Titel: Medienmuendig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Bleckmann
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Eltern sich über dieses Thema »konstruktiv streiten«. Konstruktiv kann heißen, dass Mama und Papa sich in Ruhe zusammensetzen und darüber sprechen, wer welche Bedürfnisse hat und was für Kompromisse man finden kann. Für kleine Kinder ist es wie gesagtdas Beste, wenn Bildschirme in ihrem Alltag einfach nicht auftauchen. Daher könnte ein Kompromiss sein, dass der Fernseher/Computer an einen Ort verlegt wird, wo die kleinen Kinder sich selten aufhalten. Dann müssen Eltern nicht ganz auf den Fernseher verzichten. Oder Bildschirme werden eben nur abends genutzt, wenn die Kinder schlafen. Das war die häufigste Lösung bei denjenigen befragten Familien aus der Studie, deren Kinder nicht fernsehen. Es gibt natürlich auch solche, die radikalere Lösungen wählen:
     
    Der Fernseher stand immer im Schrank und wurde nur wirklich zu bestimmten Sendungen rausgeholt. Als dann die Kinder kamen, war’s einfach klar: Der Fernseher, der hat jetzt überhaupt keinen Stellenwert mehr im Haus, und wir haben den dann auch einfach abgeschafft.
     
    Ganz so radikal, wie es scheint, sind diese Familien aber nicht: Über die Hälfte dieser Eltern gab an, sie wollten später eventuell »eine Zeitlang einen Fernseher anschaffen.« Als Gründe dafür gaben sie an:
     
um Außenseiter-Gefühle beim Kind zu vermeiden (33 %)
weil wir Eltern dann auch wieder einmal fernsehen könnten (33 %)
damit das Kind den Umgang zu Hause lernt und nicht anderswo unkontrolliert (53 %).
     
    3. Und schließlich gibt es noch den Streit der Eltern mit den Nachbarn/Großeltern/Paten, kurz: mit anderen Personen, bei denen das Kind vielleicht viel Zeit verbringt. Das kann dann der Ort sein für ein Streitgespräch wie dieses:
     
A: Nun lass sie doch, sie müssen den Umgang doch lernen!
B: Fernsehen ist aber nichts für Kinder!
A: Das holen die alles nach, oder sie gehen jetzt gleich zu den Nachbarn!
B: Wisst ihr denn gar nicht, dass Fernsehen die Kinder passiv, dick, dumm, aggressiv macht?
A: Wisst ihr denn gar nicht, dass ihr es durchs Verbieten nur interessant macht?
     
    Was die letzte Frage angeht, so beunruhigt diese die »bildschirmfreien« Eltern am meisten, weshalb ich sie etwas ausführlicher bespreche:
    Mehrmals wurde von Besuchen in anderen Familien erzählt. Da spielten dann die fernsehgewöhnten Kinder bei laufendem Fernseher mit der elektrischen Eisenbahn oder ihren Legos, während das eigene »fernsehfreie« Kind wie gebannt vor dem Bildschirm hockte. O je! Nicht immer, aber bedrückend häufig ging mit dieser Beobachtung noch ein Vorwurf der Einladenden einher: Jetzt sieht man eben, dass euer Kind keinen Umgang mit dem Fernsehen gelernt hat und dass der Fernsehentzug das Fernsehen nur besonders spannend macht. Obwohl das auf den ersten Blick glaubhaft klingt, stimmt es nicht. Um zu verstehen, warum nicht, sind einige Hintergrundinformationen wichtig: Erstens fasziniert jede und jeden ein Fernsehbildschirm ganz unterschiedlich. Zweitens ist der Fernseher nicht nur für Kinder ein echter »Ruhigsteller«, auch viele Erwachsene berichten ja, dass ihr Blick wie magisch von flimmernden Bildschirmen angezogen wird. Drittens, und das ist der wichtigste Punkt, spielen Kinder tatsächlich umso häufiger »nebenher«, obwohl der Fernseher läuft, je länger ihre Fernsehnutzungszeiten sind, weil sie abstumpfen. Das »Gefesseltsein« ist also kein Zeichen mangelnder Fähigkeiten beim Kind. Die Fähigkeit, die ein fernsehgewöhntes Kind entwickelt, nämlich trotz eines stark fesselnden Bildschirms zu spielen, ist kein Vorzug, auf den man stolz sein könnte, sondern eine Abstumpfung, die man auch als Schutz davor verstehen kann, zu lange regungslos zu sitzen, was für die kindliche Entwicklung schädlich wäre. Haben vielleicht die Fernsehkinder zumindest den Vorteil, weniger ablenkbar zu sein? Eine neue Studie zu den Auswirkungen vonMultitasking, also dem gleichzeitigen Ausführen verschiedener Tätigkeiten, allerdings bei Erwachsenen, ergab den gegenteiligen Effekt: Je mehr Zeit die Versuchspersonen mit Multitasking verbrachten, desto schlechter konnten sie mit Störungen umgehen. Und sie hatten auch mehr Schwierigkeiten mit dem Pendeln zwischen verschiedenen Aufgaben. 3

Führt ein Verbot zum späteren »Nachholen«? Eher nicht
    Stimmt es denn, dass man bei »Fernsehverbot« überschießende Nachholreaktionen befürchten muss? Die Antwort hängt davon ab, auf welchen Abschnitt des Lebens sich die Frage bezieht. Auf lange Sicht führt frühes

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