Medienmuendig
und zwei weitere Töchter bekommen, vier und zwei Jahre alt. Sie wohnen in einer Vierzimmerwohnung: ein Schlafzimmer mit Arbeitsecke, ein Zimmer für die beiden Kleinen, ein Zimmer für die Große, ein Wohnzimmer, eine geräumige Küche. Quer im Wohnzimmer steht der Wäscheständer, die Sofaecke ist zu einer Höhle umgebaut, die Wände aus Kissen, das Dach aus Wolldecken. Jede Menge Puzzles, Bücher, Wäscheklammern, Eisenbahnschienen liegen auf Tisch und Teppich. Im Kinderzimmer, erklärt Sibylle, spielen die Kinder doch nicht! Sie wollen da spielen, wo ich auch bin. Wozu hat man überhaupt ein Kinderzimmer?, seufzt Sibylle, die Mädels schlafen ja noch nicht mal nachts zuverlässig dort. Ein Fernseher steht im Schlafzimmer (»Das ist für meinen Mann und mich, wenn wir abends mal was gucken wollen«). Sibylle erinnert sich an den Kampf ums Fernsehen nur noch aus alten Zeiten:
Ich war damals alleinerziehend, berufstätig. Da war meine große Tochter Grundschulkind. Ich habe dann abends für eine halbe Stunde den Fernseher angemacht, damit ich in Ruhe das Essen machen konnte. Also die alte Situation: Sonst krieg ich die Krise, sonst werd ich wahnsinnig. Und ich hab das dann abgeschafft, bzw. ich hab den kompletten Fernseher abgeschafft, als ich gemerkt hab, dass mir die Eindämmung der Fernsehsucht mehr Arbeit gemacht hat, als der Fernseher mir Erleichterung gebracht hat. Immer wieder die Frage zu hören, ob was für Kinder kommt, und dann immer wieder zu antworten: »… es kommt IMMER was für Kinder, aber es ist noch nicht halb sechs«, und das mehrmals am Nachmittag, und das hat mich so genervt, dass ich irgendwann gesagt hab: Jetzt mach ich den Fernseher weg. Und von da an war also die Sucht behoben, und es war mir sehr damit gedient. Nachdem ich da bei meiner großen Tochter so guteErfahrungen gemacht hatte, dass es ohne Fernseher viel weniger Probleme gab, gab es auch keinen Grund, es bei den Kleinen anders zu machen. Also jetzt bei den Kleinen ist es so, dass wir keinen Fernseher im Wohnzimmer haben, weil ich’s auch nicht schön finde, wenn ein Wohnzimmer so ganz und gar optisch, also auch von der Blickrichtung auf die Glotze als »Hausaltar« ausgerichtet ist … Die Kleinen gucken gar kein Fernsehen, weil ich den Anspruch hätte, dass ich mich dazusetz’, und dazu hab ich keine Zeit.
Soweit zu Sibylles Erfahrungen mit Streit um Bildschirmnutzung. Die Beobachtung, dass es weniger Streit gibt, dass es entspannter ist, wenn Bildschirme gar kein Thema sind, klingt vielleicht zunächst so unwahrscheinlich, dass man Sibylle für einen seltenen Sonderfall halten könnte. Aber Dutzende anderer Eltern schildern Ähnliches:
Es gibt einfach wichtigere Dinge zu tun. Von daher war es jetzt für uns mit unseren Kindern nie ein Problem, nie ein Thema, von Anfang an: Es gab keinen Fernseher, unsere Bekannten, Freunde, mit denen wir im engen Kontakt sind, da haben die meisten auch keinen Fernseher oder eine ähnliche Einstellung … wir genießen es eigentlich, dass wir in diesem Vorteil leben, uns da eigentlich nicht damit beschäftigen zu müssen. Das ist einfach kein Problem für uns.
Meine Tochter hat’s nie eingefordert, das spielt bei uns einfach keine Rolle.
Also Manuel ist ein sehr wildes, unruhiges Kind − ADHS war bei ihm mal ein Thema, aber wenn er dann Fernsehen guckt, ist das wie so’n Schalter, den man umlegt: Er ist sofort ruhig, sitzt da, die Augen so auf, Mund meistens auf und wie erstarrt. Deswegen war das bei ihm auch besonders verlockend, so ein einfaches Mittel zu haben, dass man dann mal seine Ruhe hat. Aber der Arzt hat uns dann gewarnt, dass es gerade für so einen wie ihn nicht gut ist, vor der Glotze ruhiggestellt zu werden. Also habenwir zuerst mal versucht, mit Regeln das einzudämmen. Naja, was soll ich sagen, mit mäßigem Erfolg. Wir haben uns vor zwei Jahren dann entschlossen, einen Schrank zu kaufen, so’n Bauernschrank, da haben wir den Fernseher rein verfrachtet. Und die Türen kann man zumachen. Das hat gewirkt.
Was man diesen Schilderungen entnimmt: Wenn kleine Kinder gar keine Zeit mit Bildschirmen verbringen, sind deren Eltern damit praktisch immer hochzufrieden. Das ist gar kein Thema, es spielt keine Rolle, es ist kein Problem. Die Kinder fragen auch eher nur alle paar Wochen oder Monate mal danach. Das hört sich sehr entspannt an und kann nur wärmstens zur Nachahmung empfohlen werden.
Wie schwierig es dagegen sein kann, den Fernsehkonsum in
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