Medienmuendig
auch die »Babysitter«-Frage: »Wenn das Telefon klingelt und es ist ein wichtiger Anruf, für den Sie ungestört sein müssen … Haben Sie einen Trick, der in einer solchen Lage gut funktioniert?« Nadja überlegt kurz und antwortet
:
Es gibt mittlerweile keine solchen Probleme mehr, weil die, wenn sie zu zweit sind, sich selber beschäftigen. Ich hab die Erfahrung gemacht, wenn ich Vorschläge mache, werden die in der Regel nicht angenommen, und das Beste ist, die Kinder mit ihrer Langeweile zu konfrontieren. Also bei meinen klappt das ganz gut, und dann finden sie ganz rasch irgendwas, was sie machen können. Im schlimmsten Falle stelle ich die Schublade mit dem Besteck raus und deute an, dass die unbedingt mal sortiert werden sollte bei Gelegenheit. […] Das machen die gern. Oder das Nähkästchen sortieren, also alles, was mit Sortieren und Ordnung zu tun hat. Und wir haben eben unten den Gemeinschaftsgarten. Das war natürlich früher schwieriger, als sie kleiner waren, aberinzwischen können sie ja selber raus und da draußen an der frischen Luft ist die Langeweile schnell weggepustet.
Und Nadja ist kein Einzelfall. Wieder und wieder hörte ich in meinen Interviews die ermutigende Aussage, die Alternative zum Bildschirm als Babysitter sei eben gerade nicht, sich nun andere Babysitter zu überlegen, andere Möglichkeiten zur Kinder-Bespaßung oder -Ruhigstellung. Die Alternative sei, den Kindern zuzutrauen, dass sie sich selbst beschäftigen können. In der Abbildung auf S. 131 können Sie noch einmal die Zahlen dazu nachlesen: Diese Kinder singen, lesen, toben mehr, sie helfen mehr mit in Haus und Garten – sagen ihre Eltern. Es wurde oben bereits deutlich gesagt, dass diese Unterschiede nicht in erster Linie durch die Abwesenheit von Fernseher und PC, die meist noch mit einer Abwesenheit von elektronischem Spielzeug überhaupt einherging, sondern durch die Anwesenheit von Eltern und Kindern im echten Leben entsteht. Dafür, wie diese Anwesenheit, diese Lust auf echtes Leben von den Eltern unterstützt werden kann und wie entspannt und fröhlich man dabei noch ist, sind diese Familien gute Vorbilder. Was nicht verschwiegen werden sollte: Auch in diesen Familien gibt es Kinder, die sich von ihrem Naturell eher schwer damit tun, sich selbst zu beschäftigen. Annette, die ich im nächsten Kapitel noch genauer vorstelle, berichtet von einem solchen Kind und von der Mühe, die sich gelohnt hat:
Wenn ich mittags von der Arbeit komme, Alexander abhole und wir fertig gegessen haben, dann brauche ich auch erst mal eine Pause! Der Alexander ist kein Kind, was es von vornherein so leicht hat, sich allein zu beschäftigen. Kinder sind da auch einfach unterschiedlich, ich seh das auch im Vergleich zu den anderen Kindern, so aus dem Freundeskreis, oder mit denen ich beruflich zu tun habe. Das war bei ihm anfangs schon einige Mühe, das einzuüben: Dass ich dann 10 Minuten einfach schlafen kann, dass er das akzeptiert, das hat schon viel Geduld gebraucht, bis das so gut klappt wie jetzt. Da versteh ich auch die anderenEltern, die sagen: »Ich brauch’ den Fernseher, damit ich mal kurz Zeit für mich hab.« Also, ich versteh’s, aber ich meine, dass man sich damit langfristig keinen Gefallen tut, sondern Probleme anderer Art einhandelt.
Um sich selbst beschäftigen zu lernen, brauchen Kinder gleichzeitig viel und wenig:
wenig
, denn Geld, Spielzeug, Materielles eben sind dazu nicht nötig. Denken Sie dabei etwa an die alten Wolldecken, den Tisch und den Besenstiel aus Kapitel 2. Kinder brauchen aber auch
viel
, nämlich Erwachsene um sich, die Geduld haben, die selbst gern tätig sind, die ihre Kinder genau beobachten und aufmerksam begleiten, ohne immer gleich einzuschreiten. Es ist kein Zufall, dass zu den Lieblingstätigkeiten der bildschirmfreien Kinder sehr viele Haushaltstätigkeiten gehörten (»Er liebt es, Kartoffeln zu schälen«; »Sie kocht und bäckt immer für ihre Puppen«; »Er ist zur Zeit ganz begeistert vom Schneeschippen«). Eine Mutter erzählt:
Wenn ich wirklich aufstehe, meinen eigenen Willen aktiviere, geht es. Am besten funktioniert es noch immer, wenn ich putze oder aufräume, dann kriegen die Kinder wieder Lust zu spielen.
Ja, ein frisch aufgeräumtes Zimmer kann die Langeweile sehr schnell zum Verschwinden bringen. Dann ist plötzlich wieder Platz da, der dazu einlädt, gefüllt zu werden. Natürlich sind die kreativen Einfälle, die der Nachwuchs entwickelt,
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