Medienmuendig
Einschätzung jeweils etwa von den offiziellen Altersfreigaben abgewichen ist. Daraus kann sich dann eine Faustregel ergeben.
Ich persönlich fahre bisher gut mit der Faustregel:
Empfohlene Altersfreigabe = USK/FSK plus 6 Jahre
Wenn auf einem Film »ab 0« steht, bedeutet das nach dieser Regel, dass er frühestens ab 6 Jahren empfehlenswert ist. »Ab 6« auf der Verpackung heißt nach dieser Faustregel dann ab 12 Jahre usw. Allerdings könnte es sein, dass die Regel nach hinten etwas ungenau wird. Ich bin z. B. schon 39 Jahre alt und mute mir immer noch Filme ab 16 selten und Filme ab 18 praktisch nie zu!
Wenn die vorgeschlagene Faustregel in der Familie nicht mehrheitsfähig ist, könnten Sie es mit der Alternative »plus 3 Jahre« versuchen. Das entspräche dann in etwa den Vorschlägen von Kinderfilmexperten, die z. B. Altersangaben auf Kinderfilmfestivals ausgeben. Diese liegen niemals unter den FSK-Angaben, selten gleichauf, und oft deutlich darüber. 13
Ausblick – Was ist zu tun, damit wir medienmündig werden?
In diesem Buch beschreibe ich Risiken und Nebenwirkungen der Mediengesellschaft, deren Schwere vermutlich erst in einigen Jahren oder Jahrzehnten auch in der breiten Öffentlichkeit begriffen wird. Wir sind im Begriff, unbemerkt einige der kostbarsten Güter zu verlieren, die zu erringen viele Generationen Aufbauarbeit gekostet hat, allen voran unsere persönliche Selbstbestimmtheit. Das ist an manchen Stellen offensichtlich, wie bei der ausufernden Bildschirmzeit deutscher Jugendlicher von 7,5 Stunden pro Tag oder wie bei der rasant zunehmenden Problematik der Computerspielabhängigkeit. Manches ist weniger offensichtlich, wie der Verlust der Gelegenheiten zu unmittelbarer menschlichen Begegnung oder wie das Verschwinden echter Spielräume. »Rückständig« sind nur diejenigen, die heute fröhlich die Segnungen der digitalen Gesellschaft verkünden, ohne diese Schattenseiten in den Blick zu nehmen. Das tun manche aus Unwissenheit, andere aus Profitgier. Welch äußerst manipulative Methoden dabei zum Einsatz kommen können, zeigt sich nirgends so deutlich wie am Beispiel der Vermarktung von Medienprodukten an junge Zielgruppen: Kinder werden durch Werbung verunsichert, getäuscht und gegängelt – und Eltern ebenso. Das darf nicht sein! Wenn nun sogar Bildungs-Experten sich denselben Botschaften anschließen (weil sie selbst der Täuschung anheimfallen oder weil sie in finanzielle Abhängigkeiten verstrickt sind?), müssen die Alarmglocken schrillen.
Zukunftsträchtiges Zögern ist unbedingt angesagt. Für die Erziehung unserer Kinder bedeutet dies, dass sie zuerst eine guteBasis im echten Leben brauchen, um später wirklich medienmündig zu werden: Das kann nicht oft genug wiederholt werden: Wenn das Ziel ist, dass die Medien dem Menschen dienen, und nicht umgekehrt, gilt: Spät übt sich, wer ein Meister werden will (vgl. Kapitel 4). Ganz vereinfacht erklärt: Wie soll jemand skypen lernen, der nicht sprechen kann? Wie soll jemand eine Homepage gestalten, der nicht schreiben kann? Mehr Bildungsgerechtigkeit, ein Schließen der »digitalen Klüfte« können wir allein deshalb nicht durch mehr Medieneinsatz erreichen, weil die Klüfte durch
zu viel
Medieneinsatz in den benachteiligten Familien entstehen (vgl. Kapitel 5). Diese Einsicht fällt auch aus historischen Gründen so schwer. Vor 100 Jahren noch eröffnete tatsächlich der Zugang zu mehr Informationen Bildungsmöglichkeiten, heute ist es aber umgekehrt: Wer Schutz vor Reiz- und Informationsüberflutung bietet, insbesondere bildschirmfreie Zonen, um echte Spielräume zu schaffen, um Neugier nicht zu ersticken und die Urteilsfähigkeit reifen zu lassen, eröffnet Bildungsmöglichkeiten. Diese Fähigkeiten schaffen dann neben den Voraussetzungen für ein glückliches 14 und gesundes Leben auch die beste Basis für den selbstbestimmten und gekonnten Umgang mit Medien.
Die vielen Beispiele aus dem Praxisteil haben gezeigt, dass dies im Familienalltag einfacher und entspannter gelingen kann, als man glaubt. Je älter die Kinder sind, wenn sie ihre Erfahrungen mit Medien schließlich machen, desto eher kann man ihnen auch zutrauen, ohne technische Filtersysteme oder Spielzeitbegrenzungen die Medien eigenverantwortlich zu nutzen. Wegen des hohen Suchtpotentials mancher Medienprodukte sind Eltern heute auch bei Jugendlichen noch nicht ganz aus der Erziehungsverantwortung in diesem Bereich entlassen. Die Freiheiten müssen Hand in Hand mit
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