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Meditation für Skeptiker: Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst (German Edition)

Meditation für Skeptiker: Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst (German Edition)

Titel: Meditation für Skeptiker: Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ott
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Vorstellungen beschäftigt, negative Gefühle zu verringern und positive Gefühle aktiv hervorzurufen.
    Verglichen mit Gefühlen, Emotionen und Stimmungen, die meist einige Zeit andauern, sind Gedanken wesentlich schneller und flüchtiger. Sie zu beobachten ist daher schwieriger, zumal wir dazu neigen, uns mit den eigenen Gedanken zu identifizieren und sie nicht als mentale Ereignisse, als Objekte der Beobachtung zu behandeln. Die Gedanken sind uns sozusagen innerlich so nah, dass es uns schwerfällt, eine Distanz zu ihnen aufzubauen.
    Wenn ein Gedanke in uns auftaucht, entsteht sehr leicht eine Kette von Assoziationen, ein Strom von Gedanken, Erinnerungen, Vorstellungen, Fantasien. Nur allzu leicht werden wir von diesem Strom mitgenommen und verlieren uns in Tagträumen. Dieser Vorgang wird besonders deutlich, wenn eine Meditationsübung verlangt, die Aufmerksamkeit in der Gegenwart und auf einem bestimmten Objekt zu halten. Doch warum driften wir eigentlich so leicht ab? Warum gelingt es uns kaum, die Gedankentätigkeit zu bändigen? Ist es überhaupt möglich, nicht zu denken?
    Eines der typischen Merkmale des letzten Tiefenbereichs der Meditation ist tatsächlich »Gedankenstille«. Zu Beginn der Meditationspraxis erfahren viele Übende jedoch ein gegenteiliges Phänomen: Sobald sie die Augen schließen, werden sie von einer Flut von Gedanken erfüllt. Unendlich viele Dinge gehen ihnen durch den Kopf, und es gelingt ihnen nur für kurze Zeit, sich auf das gewählte Meditationsobjekt zu konzentrieren, weil sie immer wieder abschweifen. Es scheint fast so, als ob wir einem inneren Zwang unterliegen, ständig zu denken – einer gewohnheitsmäßigen gedanklichen Beschäftigung, die sich nur schwer abstellen lässt. Warum ist das so?
    Die Antwort können Sie selbst finden, wenn Sie untersuchen, worum Ihre eigenen Gedanken die meiste Zeit kreisen. Sie werden dann feststellen, dass Sie sich entweder mit vergangenen Ereignissen beschäftigen, sich daran erinnern, wie dies oder jenes abgelaufen ist und es Ihnen dabei gegangen ist, oder dass Sie in die Zukunft gerichtet planen, also etwa darüber nachdenken, was Sie nach der Meditation noch dringend erledigen möchten. Die Gedanken sind dabei vielleicht von bildhaften Vorstellungen begleitet. Sie malen sich aus, wie etwas ablaufen wird, und spielen im Geiste verschiedene Szenarien durch.
    Es kann auch sein, dass Sie über etwas nachdenken, was gerade jetzt geschieht, eine Bewertung vornehmen oder ein Urteil fällen. In dem Moment, wo dies geschieht, distanzieren Sie sich zugleich von der primären Erfahrung, von der Empfindung, dem Gefühl oder der Sinneswahrnehmung. Sie denken über das Erlebte nach und begeben sich damit auf eine Ebene der symbolischen Verarbeitung in Form von Begriffen, die als Stellvertreter dienen. Der Wechsel auf die gedankliche Ebene vollzieht sich blitzschnell, und es bedarf offenbar der Übung, um ihn zu bemerken und gegenzusteuern.
    Stand der Forschung
    Erst in den letzten zehn Jahren hat sich die Forschung verstärkt mit der Frage beschäftigt, warum unser Geist eigentlich so rastlos ist (Smallwood & Schooler, 2006; Buckner & Vincent, 2007) und warum wir uns so viel mit vergangenen und zukünftigen Ereignissen beschäftigen. Dabei zeigt sich, dass es durchaus gute Gründe dafür gibt.
    Der Default-Modus
    Was tut ein Mensch, wenn er nichts zu tun hat bzw. nichts tun soll? In Experimenten zur Untersuchung bestimmter kognitiver Funktionen werden typischerweise Aufgaben verwendet, die genau diese Funktionen ansprechen. Die Aktivierung des Gehirns während der Aufgabenbearbeitung wird anschließend mit der Aktivierung in Phasen verglichen, in denen keine solchen Aufgaben zu bearbeiten waren. Durch den Vergleich wird sichtbar, welche Gehirnregionen verstärkt aktiviert werden, um die geforderte Leistung zu erbringen.
    Die Vergleichsbedingungen bestehen häufig aus Ruhephasen, in denen den Probanden beispielsweise ein Kreuz auf dem Bildschirm dargeboten wird, das sie fixieren sollen. Ansonsten haben die Probanden nichts zu tun, und das Gehirn sollte eigentlich insgesamt weniger aktiv sein. Erstaunlicherweise gibt es jedoch Regionen, in denen die Hirnaktivität während der Ruhephasen deutlich höher ist. Dieses Phänomen wurde von Raichle et al. (2001) erstmals als default-mode beschrieben und hat seither zu einer Flut von Veröffentlichungen geführt (Raichle & Snyder, 2007).
    Der Begriff »default« bezeichnet normalerweise einen Standard- oder

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