Meditation für Skeptiker: Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst (German Edition)
bestimmtes Wertesystem zu transportieren, Ideale einer perfekten Welt zu propagieren, Ansprüche aufzubauen, die so hoch sind, dass ein Scheitern vorprogrammiert ist. Ein Scheitern, das sich in einer aufgesetzten Schein-Freundlichkeit äußern kann, in einer verklärten Weltsicht (»rosa Brille«), einer Verdrängung aggressiver und destruktiver Impulse. In diesem Buch geht es nicht darum, was Sie fühlen sollen! Es geht nicht um die Re-Programmierung mit einem neuen Wertesystem, sondern darum, das wahrzunehmen, was ist, und authentischer zu leben.
Verstehen Sie die Übungen zur Entwicklung von Güte und Mitgefühl als eine Möglichkeit, Ihre soziale Grundhaltung, Ihre Einstellung zu den Mitmenschen zu reflektieren und zu verändern – wenn Sie dies möchten. Dies ist nicht mit willentlicher Anstrengung herstellbar, sondern nur mit einer Öffnung und Verstärkung vorhandener Gefühle. Wenn Sie Vorbehalte haben und befürchten, sich bei solchen Übungen etwas vorzumachen oder einzureden, dann verzichten Sie ganz darauf. Bleiben Sie bei den Übungen mit der Atmung und der Körperwahrnehmung. Veränderungen der Emotionalität treten als »Nebenwirkung« dieser Übungen häufig ganz von selbst auf. Wenn Sie sich selbst mehr spüren, können Sie sich auch besser in andere einfühlen.
Achten Sie darauf, wie sich die Meditation auf Ihre Beziehungen auswirkt. Beginnen Sie, besser zuzuhören und zu spüren, wie es dem anderen geht? Werden Sie offener für andere Menschen, können Sie sich besser in Ihr Gegenüber hineinversetzen?
Hat die Meditation Auswirkungen auf Ihr Verhalten im Alltag? Ein guter Indikator für Veränderungen ist beispielsweise Ihr Verhalten im Straßenverkehr. Wie reagieren Sie auf rote Ampeln, auf langsame Fahrer, die Sie behindern? Wie hektisch oder gemächlich fahren Sie? Wie oft schimpfen Sie und reagieren mit aufbrausendem Zorn? Prüfen Sie, ob sich durch Ihre Meditationspraxis tatsächlich negative Automatismen reduzieren und ob es Ihnen zunehmend gelingt, im Straßenverkehr, im Familien- und Berufsleben mit Geduld, Verständnis und Humor zu reagieren, wenn etwas anders läuft, als Sie es sich wünschen.
Hingabe und Demut
Im Einführungskapitel waren als vierter Bereich tiefer Erfahrungen während der Meditation »essentielle Qualitäten« aufgeführt. Darunter finden sich Begriffe wie Hingabe, Demut, Gnade und Dankbarkeit. Können Sie etwas mit diesen emotionalen Qualitäten anfangen? Haben Sie selbst Erfahrungen in Ihrem Leben gemacht, die diese Gefühle in Ihnen hervorgerufen haben? Im normalen Alltagsleben sind derartige Gefühle kaum oder nur noch in rudimentärer Form anzutreffen, wenn wir uns beispielsweise höflich für etwas bedanken. Begriffe wie Demut und Gnade verbinden Sie vielleicht eher mit Religiosität und einer Gottesbeziehung, die Ihnen fremd ist.
Was in all diesen Begriffen mitschwingt, ist eine Form der Unterordnung unter etwas Größeres. Wem gegenüber sollten Sie dankbar und demütig sein? Bedeutet Hingabe nicht zugleich die Aufgabe individueller Autonomie? Ist es nicht ein Zeichen von Schwäche, um Gnade zu bitten, anstatt Probleme und Zielsetzungen aus eigener Kraft zu bewältigen?
Wie Sie zu diesen Fragen stehen, hängt ab von Ihrem Selbstverständnis und Ihrer existentiellen Perspektive auf Ihr Leben und die Welt, in der Sie sich befinden. Betrachten Sie die Nahrung, die Sie zu sich nehmen, primär als zum Überleben notwendige Substanz oder als Geschenk der Natur? Werden Sie vom Anblick des nächtlichen Sternenhimmels berührt? Vom Sonnenuntergang am Meer, von gewaltigen Bergen, von der Tier- und Pflanzenwelt, oder lässt Sie das kalt?
In dieser Übung geht es nicht darum, religiöse Rituale der Ehrerbietung gegenüber einer personalen Gottheit oder göttlichen Macht zu zelebrieren. Es geht vielmehr darum, empfänglich für die Schönheit der Natur zu werden und sich die eigene Situation als Mensch auf dem Planeten Erde bewusst zu machen. Verstehen Sie die nachfolgenden Betrachtungen als Anregungen dazu, und untersuchen Sie, welche Gefühle diese in Ihnen auslösen.
Beginnen Sie damit, sich der Schwerkraft bewusst zu werden, die die Masse Ihres physischen Körpers zur Erde hin zieht. Spüren Sie den Druck an den Stellen des Körpers, auf denen Ihr Gewicht ruht. Entwickeln Sie ein Gefühl von der ungeheuren Masse und Größe des Planeten, auf dem Sie sich befinden. Machen Sie sich klar, dass Sie über Atmung und Ernährung in einem stetigen Austausch mit Ihrer
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