Meditation für Skeptiker: Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst (German Edition)
Umwelt stehen, dass Ihr Körper aus Erdmaterie besteht und nach dem Tod in die Grundelemente zerfallen wird.
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Stellen Sie sich als Nächstes Ihren Körper aus der Vogelperspektive vor. Gehen Sie in der Vorstellung immer weiter nach oben. Sehen Sie sich weit unten auf der Erde sitzen, als ob Sie von einem hohen Berg oder Flugzeug hinabblicken würden. Rufen Sie schließlich die Ansicht der Erde aus dem All hervor, und machen Sie sich den winzigen Fleck bewusst, an dem Sie sich momentan aufhalten. Dann beenden Sie die Vorstellungsübung und kehren zu diesem konkreten Ort und zur gewohnten Innenperspektive zurück. Behalten Sie eine Bewusstheit davon aufrecht, was für ein großer Raum sich über Ihnen öffnet. Die ungeheure Weite des Kosmos, in dem wiederum die Erde nur einen kleinen Punkt darstellt.
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Nach der Weitung des räumlichen Horizonts gehen Sie nun in der Zeit so weit zurück, wie Sie sich in Ihrer persönlichen Biographie erinnern können. Machen Sie sich klar, dass Sie Ihr Leben vor vielen Jahren als winzige befruchtete Eizelle begonnen haben, die sich im Mutterleib entwickelt hat. Seit der Geburt atmen Sie die Luft, essen und trinken und haben sich zu einem ausgewachsenen Organismus entwickelt. Machen Sie sich klar, dass der vollständige Bauplan Ihres Körpers mit all seinen spezialisierten Organen in jeder einzelnen Zelle enthalten ist. Gehen Sie in der Reihe Ihrer Vorfahren zurück bis hin zu den Einzellern, die sich in den Urmeeren gebildet haben. In Ihren Genen liegt die Geschichte der Evolution des Lebens auf diesem Planeten – mit dem Menschen als derzeit am weitesten entwickelten Lebewesen.
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Wie viel bekommen Sie von den komplexen Vorgängen in Ihrem Körper mit? Jede einzelne Zelle ist ein kompliziertes Kraftwerk, ein Stromerzeuger und eine biochemische Fabrik auf kleinstem Raum, die in permanentem Austausch mit unzähligen anderen Zellen steht und gemeinsam vielfältige Aufgaben bewältigt, um das Überleben sicherzustellen. Können Sie über dieses Wunderwerk der Evolution staunen, dankbar dafür sein, Herr eines derart ausgefeilten Werkzeuges zu sein? Sehen Sie Ihren Leib als notwendiges Übel, Laune der Natur, als Zufallsprodukt oder wertvolle Kostbarkeit, die es zu schätzen und zu erhalten gilt? Wie ist Ihr Verhältnis zur Natur und zum Leben auf der Erde insgesamt? Wie verbunden fühlen Sie sich mit der Umwelt? Im Kapitel zum Sein werden diese Fragen noch einmal aufgegriffen und vertieft. Denn im Zusammenhang mit mystischen Meditationszuständen wird die Welt und das Eingebundensein in sie häufig völlig anders erfahren.
Denken
Auf dem Übungsweg der Meditation sind wir nun auf der Ebene der Gedanken angelangt. Bevor wir uns diesem Gebiet widmen, soll ein kurzer Rückblick in Erinnerung rufen, wie sich die Entwicklung bis zu diesem Punkt vollzogen hat. Damit soll für Sie nachvollziehbar werden, welcher inneren Logik die Abfolge der Übungen in diesem Buch folgt.
Zunächst haben Sie gelernt, aufrecht und entspannt zu sitzen. Dieser erste Schritt betraf Ihre materielle Daseinsebene, d.h. Ihren Leib als physikalisches Objekt mit einer bestimmten Masse, räumlichen Ausdehnung und Beweglichkeit. Ihre Aufgabe bestand darin, durch Muskelkraft die richtige Position einzunehmen – eine primär mechanische Operation mit der Zielsetzung, eine stabile Körperhaltung und einen Gleichgewichtszustand herzustellen, der ohne viel Kraftaufwand aufrechterhalten werden kann.
Im zweiten Schritt folgten die Übungen zur Atemachtsamkeit, die in erster Linie darauf abzielen, die Balance des vegetativen Nervensystems in Richtung Beruhigung zu verschieben. Diese Übungen setzten auf der vitalen Ebene an, d.h., Sie als lebendiger Organismus haben gelernt, Ihre eigenen biologischen (homöostatischen) Regelprozesse aktiv zu beeinflussen. Die Atmung, die normalerweise autonom und weitestgehend automatisch abläuft, ist Ihnen bewusster geworden. Außerdem haben Sie gelernt, diese Bewusstheit aufrechtzuerhalten und damit Ihre Aufmerksamkeit zu stabilisieren.
Nach der materiellen und vitalen Ebene haben wir uns im dritten Kapitel zur emotionalen Ebene bewegt. Atmung und Aufmerksamkeit haben den Weg bereitet, sich den Körperempfindungen und den damit verbundenen Gefühlen zu öffnen. Sie haben gelernt, sich selbst als fühlendes Wesen systematisch zu erkunden und sich durch eine akzeptierende, gleichmütige Innenschau zu klären. Dabei haben Sie sich bereits mit dem Potential von Gedanken und
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