Meditation
Begierden ist. Freiheit vom Begehren, das ist ein ganz anderes Glück als das, was im sklavischen Festhalten an Begierden zu finden ist. In der Welt werdet ihr nur am Nasenring herumgezerrt: Kommt eine schöne Frau oder ein gut aussehender Mann daher, musst du einfach hinschauen. Irgendwann geht ihr schließlich miteinander aus, und schon sitzt du in der Falle. Du bekommst Handschellen angelegt, den Verlobungsring und den Trauring. Danach sitzt du jahrelang fest. Viele Ehen zerbrechen wieder, und dann musst du oft Unterhalt zahlen, manchmal für den Rest deines Lebens. Seht also genau hin, was ihr tut, sofern ihr euch echte Freiheit bewahren wollt.
Sei Herr deiner Wünsche
Wenn man sich auf die Welt einlässt, denkt man erst einmal, man sei Herr seiner Wünsche und Begierden. Gibt man ihnen jedoch nach, stellt sich bald heraus, dass man ganz im Gegenteil von ihnen beherrscht wird. Dann hat man nicht mehr die freie Wahl, sondern ist zwanghaft bemüht, diese Wünsche zu befriedigen. Vor vielen Jahren habe ich Becketts Warten auf Godot gesehen. Darin taucht ein tyrannischer Landbesitzer mit seinem Diener auf, den er an einem Strick um den Hals führt und schwere Koffer schleppen, allerlei Kunststücke aufführen, apportieren und sogar auf Kommando philosophieren lässt. Am nächsten Tag erscheinen die beiden wieder, aber jetzt ist der Herr blind und der Knecht stumm, der Knecht führt den Herrn am Strick und dieser ist auf ihn angewiesen. Eine der Aussagen dieses Stücks ist wohl die, dass Herr und Knecht häufig die Rollen tauschen, falls sie nicht von vornherein ambivalent sind – und das ist in unserer Beziehung zum Begehren genauso. Wir glauben, unser Verlangen unter Kontrolle zu haben und genau unserem Willen und unseren Absichten anpassen zu können, aber im Handumdrehen ist es so, dass Begierden, Wünsche und die Launen des Geistes uns beherrschen.
Um frei zu werden, müssen wir Zurückhaltung üben und nein zu unseren Wünschen und Gelüsten sagen. Unser Nein zum sinnlichen Schwelgen zieht ein wunderbares Freiheitsgefühl nach sich, wir sind nicht mehr Sklaven unserer Gelüste. Wenn man die Nacht hindurch mit dem Flugzeug unterwegs war und keinen Schlaf bekommen hat, ist es gut zu wissen, dass man auch mal ohne Schlaf auskommen kann. Jeden Tag etwas zu essen zu bekommen ist eine schöne Sache, aber wenn man mal nichts bekommt, ist es so schlimm auch wieder nicht. Der Buddha hat zwar das Fasten nicht empfohlen, aber es ist ganz gut, ab und zu einen Tag lang nichts zu sich zu nehmen, einfach um zu sehen, ob du dein Verlangen noch unter Kontrolle hast.
Vor vielen Jahren habe ich den Entschluss gefasst, während des gesamten dreimonatigen Regenzeit-Retreats keinen Tee zu trinken. Kaum hatte ich das angekündigt, kam einer meiner damaligen Mönchsnachbarn zu mir. Er war sehr besorgt, schließlich war ich Engländer, und er wusste, was Tee uns Engländern bedeutet. Ein anderer englischer Mönch hatte das früher schon unternommen und für sehr schwierig befunden. Ich sagte, ich sei fest entschlossen, es mir auch ohne Tee gut gehen zu lassen, und tatsächlich war es dann gar keine so große Sache. Es kann ganz schön sein, sich ab und zu dem Zugriff solcher Wünsche zu entziehen. Je weniger du hast und je weniger du brauchst, desto freier bist du. Du weißt, du gehörst nicht diesen Dingen, sondern sie gehören dir.
Wenn ihr Selbstbeherrschung habt, wenn ihr zu Wünschen und Gelüsten nein sagen könnt, genießt ihr nicht nur dieses herrliche Gefühl von Freiheit und Frieden, sondern gewinnt auch eine Menge Selbstvertrauen. Die Suttas formulieren es nur ein wenig anders: Wenn du tugendhaft lebst und die Gebote hältst, kannst du furchtlos überallhin gehen (DN 16,1,24). Und weil du nicht von deinen Wünschen beherrscht wirst, bist du beweglich und kannst dich wechselnden Umständen anpassen. Eindämmung der Sinne bringt also Selbstsicherheit und ein wunderbares Gefühl von Unabhängigkeit.
Legt es auf die Freiheit, den Frieden und das Glück an, die einem reinen Lebenswandel und der Herzensgüte entspringen. Aber dieser reine Lebenswandel darf nicht einfach etwas Auferlegtes sein. Tugend, richtig verstanden, ist dazu da, euch vom Leiden zu befreien. Wie ein kleines Kind, das etwas zu Heißes anfasst, erleiden wir auch Schmerz, wenn wir etwas Falsches tun. Aber das Kind lernt aus seiner Erfahrung und wird die Warnung das nächste Mal beherzigen. Genauso kommt es für uns darauf an, die Folgen unseres Handelns
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