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Medusa

Medusa

Titel: Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Aubagne, in der Nähe von Marseille. Von dort aus schaffte er es in kürzester Zeit, dem 2. Regiment der Fallschirmspringer beizutreten, der Elitetruppe der Fremdenlegion, deren Einsätze rund um die Welt legendär waren.
    Durands Blick schweifte hinüber zu der zweiten Urkunde, einem schmucklosen Blatt Papier, auf dem zu lesen stand, dass sich Major Durand nach seinem erfolgreich erfüllten Fünfjahresvertrag nunmehr zu weiteren fünf Jahren Dienst verpflichtete, und zwar im Führungsstab des 2. Fallschirmjägerregiments in Calvi, Korsika.
    Seine Schultern strafften sich, als seine Augen über den knapp formulierten Vertrag glitten. Es gab nur wenige Männer auf diesem Erdball, die nachvollziehen konnten, was dieses Stück Papier für den damals 29-jährigen Offizier bedeutet hatte. Dies war die Bestätigung, dass der Weg, von dem ihm alle abgeraten hatten, der richtige gewesen war. Blut und Schweiß statt Auszeichnungen und Paraden. Harte Arbeit und, was noch wichtiger war: Respekt. Jene Aura, die ihn umgab und die jeder deutlich spürte, wenn er sein Büro verließ und über den Kasernenhof schritt. Es waren die Blicke, die man ihm zusandte, die Worte, die hinter vorgehaltener Hand gemurmelt wurden, das Straffen der Schultern und das anerkennende Nicken. Kleinigkeiten, die ihm alles bedeuteten.
    Doch dafür hatte er auch teuer bezahlt. Die Schulter, die er sich bei einem Einsatz in Tanger ausgekugelt hatte, bereitete ihm immer noch Probleme, und der doppelte Bruch seiner Hüfte hatte sein linkes Bein dauerhaft um zwei Zentimeter verkürzt. Letztendlich waren es gesundheitliche Gründe, die ihn bewogen hatten, sein Kommando aufzugeben und nach einem ruhigeren Betätigungsfeld Ausschau zu halten. Das Angebot der nigerischen Regierung, den Süden des Landes zu befrieden, kam ihm daher sehr gelegen.
    Heute feierte er seinen achtundvierzigsten Geburtstag, eine gute Gelegenheit, sein bisheriges Leben Revue passieren zu lassen. Nein, er hatte sich nichts vorzuwerfen. Seine Entscheidungen mochten manchem seltsam vorkommen, für ihn waren sie konsequent und richtig. Er würde jederzeit wieder so handeln. Die Nordregion war dank seiner Führungsqualitäten sicher geworden. Hier geschah nichts, von dem er nichts wusste. Nichts, das er nicht kontrollieren konnte. Bis heute jedenfalls …
    Er wandte sich von seinen Auszeichnungen ab und ging wieder zurück an seinen Schreibtisch. Seine Schulter schmerzte heute, als würde ihm jemand glühende Nadeln ins Gelenk bohren. Das Wetter würde sich wohl ändern. Er setzte sich mühevoll und blickte auf das Fax, das er vor einer knappen halben Stunde erhalten hatte. Er überflog die Zeilen und schüttelte den Kopf. Das war nicht gut, was er dort las, das war gar nicht gut.
    Angefangen hatte alles mit dieser Expedition. Die Tatsache, dass diese verrückten Amerikaner glaubten, in diesem Teil der Welt etwas Wichtiges oder gar Wertvolles zu finden, hatte ihn zwar befremdet, war aber nachvollziehbar. Schließlich suchten sie kein Gold oder Edelsteine, sondern simple Steinritzungen. Falls sie wirklich etwas von Wert finden sollten, würde er es erfahren und gegebenenfalls seinen Nutzen daraus ziehen. Was ihm ernsthaft Sorgen bereitete, waren die Miliztruppen, die Gouverneur Ben Jamar ihnen mitgegeben hatte. Gute Leute. Allen voran dieser Mano Issa. Ein unberechenbarer, vierschrötiger Querkopf, aber ein guter Soldat. Mit dem konnte es noch Probleme geben. Nein, es gefiel ihm nicht, dass sich so viele fremde Soldaten auf seinem Territorium tummelten. Das destabilisierte die Situation. Und dann war da dieses Fax.
    Wieder und wieder überflog er die Zeilen, als könne er immer noch nicht glauben, was da stand. Es stammte nicht etwa von der Regierung oder dem Hauptquartier. Auch war es nicht an ihn in seiner Funktion als Oberbefehlshaber gerichtet. Nein, es stammte von seinem alten Weggefährten Major Naumann. Einem Mann, mit dem er zusammen in Calvi gedient hatte. Und es war an ihn persönlich gerichtet.
    Naumann war einer der besten Offiziere, die er jemals kennen gelernt hatte, und es verband sie mehr als bloße Kameradschaft. Nachdem Durand der Légion den Rücken gekehrt hatte, waren die Verbindungen abgebrochen.
    Dem Schreiben war zu entnehmen, dass auch Naumann die Legion inzwischen verlassen hatte. Er arbeitete als technischer Berater für eine deutsche Rüstungsfirma in Japan. Ein interessanter Werdegang, über den Durand beizeiten mehr erfahren wollte. Was ihn aber verblüffte, waren

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