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Medusa

Medusa

Titel: Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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nicht mehr unter meinem Willen.«
    »Du musst irgendetwas machen. Hol ihn da wieder heraus!«
    »Das versuche ich ja schon die ganze Zeit, aber ich komme nicht mehr an ihn heran. Er ist vollkommen weggetreten, und zwar genau seit dem Zeitpunkt, als er diese seltsamen Namen gesagt hat!«
    Sie packte Patrick bei den Schultern und schüttelte ihn. »Sieh mich an, Patrick, Sieh mich an! Komm zurück. Ich befehle es dir!« Sie griff an ihren Hals und zog den Beryll hervor. »Ich zähle von fünf zurück auf eins, und dann wirst du erwachen. Fünf!«
    »Lass mich … ich werde nicht mitkommen … nein.«
    »Vier!«
    »O Gott, bitte lasst mich nicht allein.«
    »Sieh mich an Patrick. Drei!«
    »Es ist die Medusa … sie will nicht, dass ich gehe, o Gott.«
    Tränen rannen aus Patricks blinden Augen.
    »Zwei!«
    »Nnnn … Nnnn!« Krämpfe durchzuckten den schlanken Körper des Technikers.
    »Eins! Ich will, dass du zurückkehrst«, schrie Hannah. »Hör auf damit, Patrick, und komm zu uns zurück!« Sie schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht. Die Reaktion war verblüffend. Mit einem Mal war die Verzweiflung wie weggeblasen und machte einer rasenden, besessenen Wut Platz. Noch ehe Hannah etwas unternehmen konnte, schlossen sich Patricks Hände um ihren Hals. Eine Flut von Sternchen entzündete sich auf ihrer Netzhaut und entlud sich in einem gleißenden Feuerwerk. Ihre Augen begannen zu tränen, während der Druck immer stärker wurde. Durch einen roten Schleier hindurch erkannte sie, dass sich jetzt alle auf Patrick gestürzt hatten und verzweifelt versuchten, seine Hände, die sich wie ein Schraubstock um ihren Hals geschlossen hatten, zu lösen. Gegen eine solche Übermacht konnte selbst Patricks Besessenheit nicht bestehen. Er lockerte seinen Griff und ließ Hannah kraftlos zu Boden sacken. Keuchend saß sie im Staub, während ihr Bewusstsein langsam zurückkehrte.
    Patrick schwankte, dann wandte er sich seinen neuen Gegnern zu. Doch statt sie anzugreifen, wie es zunächst den Anschein hatte, schlug er die Hände vor die Augen und stieß einen markerschütternden Schrei aus. Dann stürzte er vornüber zu Boden und blieb dort liegen, als habe ihn ein Blitz getroffen.

10
    Oberst Durand betrachtete seine Auszeichnungen. Es war eine Art Ritual – für den Fall, dass schwierige Entscheidungen anstanden.
    An der Wand im hinteren Teil seines Büros hingen zwei schmucklose Rahmen, die leicht über ihren wertvollen Inhalt hinwegtäuschen konnten. Einer beinhaltete ein prächtig gestaltetes Abschlusszeugnis der École Spéciale Militaire de Saint-Cyr , der westlich von Paris gelegenen Militärakademie, die Durand in den Jahren 70 bis ’73 absolviert und mit Auszeichnung abgeschlossen hatte. In jenen Jahren galt er noch als Stolz der Familie. Besonders sein Vater hatte alles darangesetzt, ihm eine militärische Laufbahn zu ermöglichen. In der École , einem klassizistischen Bau, gelegen inmitten prächtiger Parkanlagen, hatte man ihn auf die Offizierslaufbahn vorbereitet. Napoleons Motto, Studieren, um zu siegen , war der Leitsatz der Akademie, und er sollte sein Leben prägen, seit er zum ersten Mal seinen Fuß über die steinerne Schwelle setzte. Drei Jahre lang hatte man ihn in den Dreck gestoßen und wieder aufgerichtet, geschliffen und wieder zusammengesetzt, so lange, bis seine Ausbilder zufrieden waren. François Philippe Durand war ein mustergültiger Schüler gewesen. Man hatte ihm eine Erfolg versprechende Laufbahn prophezeit und war überzeugt, dass ihn seine Karriere binnen weniger Jahre in den militärischen Führungsstab der Republik führen würde.
    Doch als er wenige Tage nach dem Empfang seines Offizierspatentes erklärte, dass es ihn nach praktischer Erfahrung dürste und er plane, in die Légion Étrangère , die französische Fremdenlegion, einzutreten, war die Bestürzung groß gewesen. Er trete sein Schicksal mit Füßen, hieß es. Warum er diesen Weg eingeschlagen und auf seine Bilderbuchkarriere verzichtet hatte, war vielen unklar. Aber für ihn war es der richtige Schritt gewesen. Schreibtischkommandos waren nicht sein Ding, und er war davon überzeugt, auf diesem Wege ein gerüttelt Maß Lebenserfahrung sammeln zu können.
    Trotz aller Widerstände, trotz all der wohlgemeinten Worte seiner Ausbilder, trotz all der Flüche und Drohungen seines Vaters, beharrte der junge François Philippe auf seiner Entscheidung. Nur wenige Wochen später bewarb er sich im Hauptquartier der Fremdenlegion in

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