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Medusa

Medusa

Titel: Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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ist wach und aufnahmebereit …
    Zwei: Wärme steigt an deinem Nacken hoch und breitet sich wie warmes Wasser hinter deinen Augen aus. Du spürst, wie deine Schultern schlaff werden und nach vorn sinken. Deine Augenlider werden schwer und beginnen sich langsam zu schließen …«
    Hannah bemerkte Unruhe bei den Tuareg, als sich Patricks Augen tatsächlich schlossen. Hannah war zufrieden. Entweder war Patrick ein guter Schauspieler oder ein ideales Medium.
    »Drei: Du bist jetzt in einem Zustand vollkommener Ruhe. Du spürst, wie die Wärme dich emporhebt. Du schwebst, leicht wie eine Feder …
    Vier: Dein Geist löst sich vom Körper. Du kannst alles sehen und alles hören. Du bist hellwach und erinnerst dich an jede Einzelheit in deinem Leben. Nenne mir jetzt deinen Namen und den Ort deiner Geburt.«
    Patrick bewegte den Mund. Erst ganz leise, dann immer deutlicher drang seine Stimme an ihre Ohren. Sie klang, als käme sie aus großer Entfernung.
    »Mein Name ist Patrick Jonathan Flannery. Geboren wurde ich in Baltingglass, am Fuße der Wicklow Mountains.«
    »Erzähl uns, was an deinem ersten Schultag geschah.«
    »Meine Eltern brachten mich zur Gladstone Elementary School. Ich trug meine Schuluniform, und meine Schuhe glänzten wie Metall, so hatte ich sie geputzt. Meine Lehrerin, Mrs. Druian, erwartete mich bereits. Sie hatte ihre schwarzen Haare streng nach hinten gebunden, und auf ihrer Nase trug sie eine Brille mit schmalem Silberrand.«
    Hannah atmete tief durch. Es hatte geklappt. Nun kam der wirklich interessante Teil. »Vielen Dank, Patrick, das war sehr gut. Du bist nun völlig entspannt und bereit, noch tiefer in dein Unterbewusstsein vorzudringen. Wir kommen nun zum letzten und entscheidenden Abschnitt deiner Reise.
    Fünf: Dein Geist ist vollkommen losgelöst und kann frei umherschweifen. Du bist in der Lage, durch die Zeiten zu fliegen. Du erinnerst dich an Dinge, die vor langer Zeit geschehen sind, und an Dinge, die noch geschehen werden. Erzähl uns von dem Tag, an dem dein Vater um die Hand deiner Mutter angehalten hat.«
    Es dauerte eine kurze Zeit, bis er weitersprach. Als müsse er sich erst neu orientieren. »Ich sehe sie genau vor mir.« Patricks Stimme war klar und deutlich zu hören. »Donal, mein Vater, kommt mit Großvater die Straße von Tullow herauf. Sie sind auf dem Viehmarkt gewesen, wo sie drei Schafe und vier Puten mit gutem Gewinn verkauft haben. Zur Belohnung erhält Vater vier Pfund Sterling, mit denen er machen darf, was er will. Auf diesen Tag hat er lange gewartet. Von dem Geld kauft er eine Cremetorte bei Macey’s und einen Strauß Veilchen bei Madam Cole. Damit rennt er zum Haus der O’Brians, in dem Claire, meine Mutter, wohnt. Ich kann sie sehen, wie sie im Garten steht und Unkraut jätet. Ihr blauweiß kariertes Kleid flattert im Wind. Dann sieht sie Donal den Hügel heraufkommen. Wie angewurzelt steht sie da, denn sie ahnt, was er vorhat. Donal hat das Gartentor noch nicht erreicht, als er stolpert und der Länge nach hinfällt. Die Blumen fliegen im hohen Bogen durch die Luft und landen auf der Gartenmauer. Die Torte aber bleibt wie durch ein Wunder unversehrt, denn Donal hat es geschafft, sie auf seiner Hand auszubalancieren. Allerdings zerreißt er sich den Ärmel seiner Jacke und stößt sich den Ellbogen blutig. Claire ist entsetzt. Sie zerrt ihn ins Haus, um ihn zu verbinden, und sagt zu allem Ja. Sogar, als er um ihre Hand anhält.«
    Patrick erzählte die Geschichte mit ausdrucksloser Miene. Alle anderen jedoch verkniffen sich ein Lächeln. Auch Hannah musste sich zwingen, ernst zu bleiben.
    »Das war sehr gut, Patrick. Nun möchte ich, dass du noch weiter zurückgehst. Weit, weit zurück, in eine Zeit, lange bevor deine Eltern lebten.«
    Wieder schien er zu zögern, doch dann hob er den Kopf, als hätte er etwas gehört. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
    »Ich höre Musik«, murmelte er. »Es scheint ein Fest zu geben. Alle laufen durcheinander und freuen sich in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Es klingt beinahe wie Gälisch. Die Menschen sind in seltsam groben Stoff gekleidet, der an manchen Stellen mit Lederbändern verstärkt ist. Sowohl Männer als auch Frauen tragen langes Haar, das zu Zöpfen geflochten ist und durch kunstvoll gearbeitete Spangen zusammengehalten wird. Ich laufe zur Mitte des Dorfplatzes, denn die wunderbaren Klänge kommen von dort. Das Dorf habe ich noch nie zuvor gesehen. Die Häuser sind klein und gedrungen

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