Meer der Liebe
gleichen Art, wie ihr Bruder es getan hatte â mit flieÃenden Bewegungen und konzentriertem Blick, ohne einen Ton zu sagen.
Sie hob eine Statue hier an, blieb vor einer Skulptur dort stehen. SchlieÃlich nahm sie ein kleines Einhorn aus Elfenbein auf und studierte es so lange, dass Megan vor Nervosität von einem Fuà auf den anderen trat.
Was macht sie da nur, fragte sie sich. Und warum?
Das Sonnenlicht warf Schatten auf den Boden. Staubdiamanten tanzten in den Strahlen.
Zu spät erinnerte Megan sich an Catchs Büste. Ein Sonnenstrahl fiel schräg auf das Werk, betonte die Gesichtszüge, die der Schaber bereits herausgearbeitet hatte. Wenn auch noch unvollendet, so war klar erkenntlich, dass dieses Gesicht Catch darstellte.
Weil sie sich plötzlich albern vorkam, stellte Megan sich vor den Tonkopf, damit Jessica ihn nicht sehen konnte.
»Catch hatte recht«, murmelte diese jetzt und strich vorsichtig mit dem Finger über das Einhorn. »Wie immer. Normalerweise treibt mich das zur WeiÃglut, doch diesmal nicht.«
In diesem Moment war ihre Ãhnlichkeit mit Catch geradezu verblüffend.
Megan schoss der Gedanke durch den Kopf, wie gern sie eine Skizze von dieser Situation entwerfen würde. Währenddessen bemühte sie sich, dem schnellen Zickzackkurs von Jessicas Anmerkungen zu folgen.
»Recht womit?«, fragte sie.
»Er sprach von Ihrem auÃergewöhnlichen Talent.«
»Wie?« Megan riss die Augen auf.
»Catch erzählte mir von Ihrer Arbeit und wie bemerkenswert sie sei.«
Jessica setzte das Einhorn vorsichtig zurück auf seinen Platz. »Als er mir die beiden Skulpturen von Ihnen schickte, musste ich ihm zustimmen, aber ⦠es waren nur zwei Stücke. Nicht genug, um sich eine umfassende Meinung bilden zu können.«
Sie nahm einen MeiÃel zur Hand und tippte sich damit abwesend auf die Handfläche, während sie den Blick im Raum umherwandern lieÃ. »Absolut erstaunlich.«
»Er hat Ihnen die Skulpturen geschickt, die er mir abgekauft hat?«
»Ja, vor ein paar Wochen. Ich war sehr beeindruckt von den Stücken.«
Jessica lieà den MeiÃel klappernd zurück auf den Werktisch fallen und nahm die fast vollendete Skulptur einer Frau, die aus den Schaumkronen des Meeres stieg, in die Hände.
Es war das Stück, an dem Megan gearbeitet hatte, bevor sie mit Catchs Büste begann.
»Das ist einfach fantastisch!«, rief Jessica aus. »Das muss ich haben und das Einhorn auch. Die Reaktion auf die beiden anderen Stücke von Ihnen war phänomenal.«
»Ich verstehe nicht ganz, wovon Sie reden.«
Sosehr sie sich auch bemühte â mit diesen Sprüngen konnte sie nicht mithalten. »Wessen Reaktion?«
»Die Reaktion meiner Kunden. Ich besitze eine Kunstgalerie in New York.«
Jessica lächelte Megan strahlend an. »Sagte ich etwa nicht, dass mir eine Galerie gehört?«
»Nein.« Megan schluckte. »Nein, das sagten Sie nicht.«
»Wahrscheinlich ging ich davon aus, dass Catch es Ihnen gegenüber bereits erwähnt hätte. Na, dann sollte ich wohl besser beim Anfang anfangen.«
»Das wäre mir sehr recht«, bemerkte Megan und wartete, bis Jessica es sich auf dem kleinen Holzschemel gemütlich gemacht hatte.
»Nun, Catch schickte mir vor ein paar Wochen Ihre Arbeiten«, begann Jessica zügig. »Er wollte meine professionelle Meinung einholen. Ich bringe vielleicht nicht viel auf der Leinwand zustande, aber mit Kunst kenne ich mich aus.«
Diese Selbstsicherheit war Megan bereits vertraut.
»Als ich erkannte, dass ich selbst nie viel als Künstler erreichen würde, spezialisierte ich mich also auf den Kunsthandel und eröffnete eine Galerie in Manhattan. Jessicaâs, so heiÃt sie. In den letzten sechs Jahren habe ich mir einen sehr guten Ruf und einen renommierten Kundenstamm erarbeitet. Deshalb hat mein unternehmungslustiger Bruder mich natürlich zurate ziehen wollen. Seine Instinkte funktionieren hervorragend, aber er holt sich immer die Meinung von Experten ein. Danach allerdings trifft er seine eigenen Entscheidungen. So wie man ihm damals gegen den Bau der Klinik in Zentralafrika geraten hatte, und er hat sie trotzdem gebaut. Er tut immer, was er für richtig hält.«
»Eine Klinik?« Megan hatte Mühe, dem neuerlichen Sprung in Jessicas Gedanken zu folgen.
»Eine Kinderklinik. Er hat eine Schwäche
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