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Meeresblau

Meeresblau

Titel: Meeresblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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Gebirgszüge.
    Während der Tage und Nächte, die ihn entlang der Küste Chiles nach Süden führten, gesellte sich eine Gruppe wunderschön gefärbter Schwarzdelfine zu ihm. Für beide Seiten stellte es eine willkommene Partnerschaft dar. Die verspielten Tiere empfanden es als pures Vergnügen, ihn abwechselnd zu tragen und Gedanken und Erinnerungen auszutauschen, und er kamdank ihrer Hilfe weit schneller voran, als es ihm aus eigener Kraft je möglich gewesen wäre. Erst, als die Gewässer zu kalt und rau für die Delfine wurden, machten sie kehrt und überließen einer Schule Grindwale ihren Platz. Nur selten gönnte er sich Ruhe oder gar Schlaf, schwamm Seite an Seite mit seinen Begleitern von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang und oft die gesamte Nacht hindurch. Seine Kräfte schienen im Laufe der Zeit nicht ab-, sondern zuzunehmen.
    Bis er das Meer vor Feuerland erreichte.
    Raue, baumlose Inseln duckten sich unter den Schneestürmen in das düstere Wasser. Eiskristalle schnitten in seine Haut, wenn er auftauchte, Nordlichter erhellten mit gespenstisch grünem Schein die eisigen Nächte. Feuerland war das Sinnbild eines zornigen, ungezähmten Endes der Welt, doch auch hier hatte der Mensch Fuß gefasst. Erleuchtete Dörfer und kleine Städtchen durchdrangen wie Refugien des Lebens das Dunkel des Tages und die Finsternis der Nacht. Sie erinnerten ihn daran, wie das Land zu seinem Namen gekommen war. Freundlich musste Ferdinand Magellan das Licht der zahllosen, allnächtlich von den Ureinwohnern angezündeten Lagerfeuer erschienen sein, als er im Jahre 1520 mit seinen Schiffen an den Inseln vorbeigesegelt war. Wie das sprichwörtliche Licht der Hoffnung.
    Ihn aber schreckte jedes Zeichen menschlicher Nähe ab.
    Unerfreut über die Kälte und die wilden Strömungen verabschiedeten sich die Grindwale und kehrten in die Gewässer des Nordens zurück. Vor Christopher aber lag die Drake-Passage, das raueste Meeresgebiet der Welt. Unter ihm in der schwarzen Tiefe vermoderten die Gerippe zahlloser Schiffe. Das Wasser war mit Schmerz und Verzweiflung angereichert, Echos verlorener Seelen, die hier im Laufe der Jahrhunderte ihren kalten Tod gefunden hatten.
    Er erlaubte sich keinen Gedanken der Angst oder des Zweifels, sondern schwamm weiter, bis er einen Strom fand, der ihn in Richtung der aufgehenden Sonne trug. Schnell ließen ihn die wilden Wasser vorankommen, doch hier, nahe den antarktischen Gewässern, setzte selbst ihm die Kälte zu. Mit jedem Tag und jeder Nacht saugte sie ihm mehr seiner Kraft aus. Orkane fegten über das Meer hinweg, Stürme von einer solchen Wucht, dass sie die Welt in ihren Grundfesten auseinanderzureißen schienen. Bis in die Tiefe aufgewühltes Wasser brüllte, tobte und fauchte, warf ihn mit seinen unberechenbaren Wirbeln weit zurück oder drängte ihn gegen die Klippen der Küste, sodass ihm manchmal nichts anderes übrig blieb, als sich in eine geschützte Bucht zu retten und zu warten, bis die Stürme ihre größte Wut hinausgespien hatten. Es war unmöglich, diese Elemente zu beherrschen. Sie waren zu wild und gewaltig, und seine geschwächte Macht reichte nicht aus, um ihren Zorn zu besänftigen.
    Erneut entglitten ihm die Erinnerungen. Wie eine verletzliche Glaskugel schienen sie in der Tiefe seines Seelenmeeres zu versinken. Er fühlte sich kalt. Wie versteinert. Erfüllt von der Wildheit der See, die keinen Gedanken an Wärme und Sterblichkeit zuließ.
    Eines Abends, als er glaubte, nie wieder die Kraft zu finden, um weiterzuschwimmen, schlief er auf einem Felsen so tief ein, dass er erst am Mittag des nächsten Tages erwachte. Und das auch nur, weil die Steine des Kieselstrandes, an dem er Zuflucht gesucht hatte, unter zaghaften Schritten klackerten. Benommen vom Schlaf fuhr er hoch. Ein Mann stand nur wenige Meter entfernt, seine Arme schützend um die Schultern eines Mädchens und eines Jungens gelegt.
    Alle drei starrten ihn aus großen Augen an.
    Ihre Nähe war wie eine Illusion. Ein Trugbild aus einem längst vergangenen Leben. Es tat weh, die Menschen anzusehen, denn sie führten ihm etwas vor Augen, das er gerne verdrängt hätte. So fest er die Erinnerung an Maya und Jeanne auch gehalten hatte, so oft er in ihre gemeinsame Zeit zurückgereist war, um seine menschliche Seite nicht völlig zu verlieren – es lagen Welten zwischen dem neuen und dem alten Leben, die unmöglich zu überwinden waren.
    Plötzlich sprang das Mädchen unerwartet schnell auf ihn zu.
    „Caro!“,

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