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Meeresblau

Meeresblau

Titel: Meeresblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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verschwunden. Das Blut der Erde siechte dahin, und mit jedem Tag wurde es kränker.
    Hass stieg in ihm auf, heiß und sengend wie an jenem Tag, da er die Welle heraufbeschworen hatte. Mit wildem Zorn durchstieß er die Oberfläche und sah zum Schiff hinüber, das in all seiner hell strahlenden, lärmenden Hässlichkeit auf dem Wasser trieb. So schwer war das Netz, dass der Kran sich beim Einholen ächzend durchbog.
    „Hol dir zurück, was man dir genommen hat.“ Christopher streckte die Arme aus, sodass seine Handflächen die Oberfläche des Wassers berührten. „Zeige ihnen, dass sie dich niemals beherrschen können.“
    Das Wogen der Wellen durchfloss seinen Körper, das Atmen des Ozeans wurde zu seinem Atem. Eine winzige Regung vermochte sich im Kreislauf der Strömungen in die vernichtende Gewalt eines Sturmes verwandeln und in Wellen, hoch genug, selbst dieses Schiff zu verschlingen. Doch diesmal würde er es zu kontrollieren wissen.
    Die Spannung in der Luft und im Wasser wuchs. Sterne wurden von Finsternis verschluckt. Er vereinte seine Wut mit der Kraft der Elemente. Wellen türmten sich auf, höher und höher. Der Atem des Windes wurde zu einem fauchenden Sturm. Hilflos tanzte das Schiff auf der wogenden Dünung, Kran und Winden kreischten, bis das Metall der Belastung nicht mehr standhielt und brach. Das Netz klatschte zurück in das Wasser, der Trawler ergriff mit voller Kraft die Flucht. Verletzlich wie eine Nussschale trieb er auf den haushohen Wellen und verschwand in der Dunkelheit der Nacht.
    Gemeinsam mit Cal schwamm er zu dem in die Tiefe sinkenden Netz. Der in Panik aufgelöste Schwarm ballte sich eng zusammen, viele Tiere waren längst von ihren Artgenossen zerquetscht worden. Als er das Geflecht am oberen Ende aufzog und es öffnete, huschten nur wenige Tiere zurück in die Freiheit. Zusammengedrängt zu einer kleinen Wolke drehten sie dicht unter der Oberfläche ihre Runden, derart orientierungslos und verwirrt von dem, was ihnen geschehen war, dass Christopher sich ganz elend vor Mitleid fühlte.
    Schon schoss eine Gruppe Marline heran, angelockt vom Geruch nach Angst und Blut, doch diesmal würde er den Jägern ihre Beute verwehren. Den kleinen Schwarm vor ihren Angriffen abschirmend, verwies er sie an die unter ihm treibende Wolke aus toten und sterbenden Fischen. Dankbar machten sich die Marline über diese leichte Beute her. Das Spiel aus Leben und Tod fand einen kurzen, ekstatischen Höhepunkt, und als die Hektik nach kurzen Momenten verebbte, legte das Meer wieder seine Maske aus trügerischem Frieden an. Der kleine Schwarm glitt unbehelligt hinaus in die See, fand eine schillernde Wolke aus Artgenossen und vereinte sich mit ihr, um seine Reise mit den Strömungen fortzusetzen.
    Während der langen Zeit der Reise gab es Momente, in denen die Welt, aus der er kam, völlig aus seinen Gedanken verschwand. Wenn er am Grund des Meeres lag, Seite an Seite mit seinen Gefährten in der Dunkelheit dahindämmerte, dem sanften Klang ihrer Erinnerungen und Gedanken lauschte, fühlte er sich nahtlos eingefügt in seine Heimat. Strebte er amMorgen im Halbschlaf an die Oberfläche, tauchte aus den Wellen auf und ließ sich unter einem weiten Himmel von den ersten Sonnenstrahlen wecken, fühlte er sich schwerelos und frei.
    Sie jagten und schliefen gemeinsam, rasteten an unterseeischen Bergen und Riffen, sonnten sich auf Sandbänken und sahen ferne Inseln an sich vorbeiziehen. Seine wahre Natur ergriff mit jedem Tag mehr von ihm Besitz, und Mayas Bild, so sehr er es auch festzuhalten versuchte, verblasste wie Meeresschaum, der in der Wärme der Sonne zerschmolz.
    Vielleicht wäre es ganz aus seinem Kopf verschwunden, getilgt von der besitzergreifenden Wildheit des Meeres, doch eines Morgens, als Christopher auftauchte und nur mühsam die Erinnerung an sein altes Leben wachzurufen vermochte, lag das Ziel ihrer Reise vor ihm am Horizont. Die Atolle der Phoenixinseln.
    Sie erschienen ihm wie eine Vision. Kaum mehr als ein grünlicher Schatten, umkränzt von den ersten Sonnenstrahlen. Über ihm flogen Seeschwalben, blickten neugierig zu ihnen hinab. Der Duft nach Erde, Früchten und Bäumen schwängerte die Luft.
    Die Inseln waren echt. Er hatte sein Ziel erreicht.
    Während sich seine Artgenossen übermütig in den farbenfrohen Taumel des Lebens stürzten, ihre neu gewonnene Kraft auskosteten und zwischen Korallenbänken umherhuschten, blieben Cal und er in schweigendem Staunen verbunden zurück. In

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