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Meereskuss

Meereskuss

Titel: Meereskuss
Autoren: Virginia Kantra
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Conn, so strahlend und hart wie ein Diamant, und Griff mit seinem großen, warmen, rubinroten Herzen. Der, den Conn Morgan nannte, war schwarz wie Onyx, und die Frau neben ihm rund und schimmernd wie ein Opal.
    Aber als die Minuten – Stunden? – vergingen, schwand Lucys Bewusstsein für ihre Anwesenheit. Vielleicht, wenn sie sich an den Händen gehalten hätten, wie es Kinder taten, um sich zu trösten oder zu verhindern, dass sie sich verirrten … Aber Selkies berührten sich nicht.
    »Ich fasse dich an«,
hatte Conn widersprochen.
»Ich war schon in dir.«
    Bei der Erinnerung daran musste sie lächeln.
    Das blaue Licht war trüber geworden. Durch den Dampf? Oder waren auch die anderen dabei, einzunicken?
    Die Hitze war übermächtig. Betäubend. Lucy ließ den Kopf hängen. Eine Schweißperle rollte ihre Nase hinunter und tropfte auf ihre Bluse.
    Mit einem verstohlenen Seitenblick wischte sie sich mit dem Handgelenk über die Nase.
    Niemand nahm davon Notiz.
Gut.
    Niemand bewegte sich.
Kein bisschen.
    Tatsächlich …
    Mit einem komischen Gefühl im Bauch runzelte Lucy die Stirn. Tatsächlich schienen sie kaum zu atmen.
    »Conn?« Ihre Stimme bebte wie die Oberfläche des Tümpels.
    Keine Antwort. Das komische Gefühl breitete sich aus. Wuchs.
    »Conn!« Ihr Ruf wurde von den Höhlenwänden zurückgeworfen und pflanzte sich in die hintersten Winkel fort. Genau wie in ihren Alpträumen. »Griff? Conn …«
     
    Schmerz verzehrte ihn.
    Schmerz und Verbrennungen. Er lag quer über dem Schlund der Hölle wie ein Gefangener auf der Folterbank, wie geschmolzenes Wachs auf dem Verschluss einer Flasche. Durch seine Knochen tobte Feuer. Flammen jagten durch seine Adern und fraßen an seinem Herz.
    Lucy, mein Herz …
    Er hatte nicht gedacht, dass er sie liebte. Selkies liebten nicht. Oder starben nicht. Er würde auf immer und ewig in Todespein leben, solange noch ein Funken Leben in seinem Körper dort oben war.
    Solange sein Wille ausreichte.
    Er lag da und verbrannte.
     
    Lucy packte Conns Arm, der so steif, so kalt, so unempfänglich wie sein Gesicht war. Entsetzen schnürte ihr die Kehle zu.
    »Hilfe!«, rief sie.
    Aber jeder, der ihr hätte helfen können, war bereits da, blind und stumm wie eine Puppe im Schaufenster eines Kaufhauses.
    Sie packte Griff auf der anderen Seite. Energie sprühte und biss sich durch ihren Körper. Ihr Pulsschlag beschleunigte sich. Ihre Nerven knisterten. Als ob eine Gabel in einen Toaster gerammt worden wäre. Als ob ihre Berührung eine Verbindung hergestellt hätte.
    Griff stöhnte und holte erschauernd Luft.
    Angst und drängende Eile machten ihre Erleichterung zunichte. Sie verstärkte ihren Griff um seinen Arm. »Conn?«
    Griff sah sie aus übernächtigen Augen an. »Zu tief«, murmelte er. »Ich konnte nicht –«
    Sie hatte keine Zeit für Erklärungen. Keine Geduld. Die Liebe schärfte ihren Verstand. Furcht drückte wie ein Messer gegen ihre Kehle. Sie schüttelte ihn.
»Helfen Sie mir«,
sagte sie heftig.
    »Mädchen …«
    »So.« Sie wollte Conn nicht loslassen, der so still, so kalt neben ihr stand. Sie streckte die freie Hand aus, an Griff vorbei, und packte die Frau auf seiner anderen Seite. »Halten Sie sie fest. Ihren Arm. Wir müssen …«
    Was?
    »Einen Kreis bilden«, entschied sie. »Wir alle.«
    Griff warf ihr einen verwirrten Blick zu, doch er gehorchte.
    Die Frau neben ihm regte sich und schnappte nach Luft.
    Lucy trat, Qualen der Ungeduld ausstehend, von einem Fuß auf den anderen, während die Wächter murrend erwachten, während Griff sie in den Kreis schob und sie Händchen halten ließ, als müsste er widerstrebende Fünftklässler zum Squaredance nötigen.
    Der silberhaarige Mann, Morgan, nahm den Arm des Mannes neben ihm. Er sah mit verkniffenem Mund zu Lucy. »Warum?«
    Sie biss sich auf die Lippen. Sie wusste keine Antwort. Sie wusste nur, mit dem Instinkt der Lehrerin, was im Notfall zu tun war.
Haltet euch an den Händen. Bildet eine Reihe. Bleibt zusammen. Damit niemand verloren geht.
    Der Druck in ihrer Brust schwoll an. Ihr Atem entwich in einem Schluchzer.
    Ach, Conn.
     
    Er weinte ohne Tränen. Schrie ohne einen Laut, ohne Kehle oder Mund. Kehle und Mund waren weggebrannt, Sein und Erinnerung fort. Nur sein Wille war ihm geblieben, wie der Faden eines Spinnennetzes quer über dem Tor zur Hölle.
    Ach, Conn.
    Ein Name erstand aus der Asche.
    Sein Name, in einer Stimme …
Ihrer
Stimme. Der seiner Geliebten. Sie rief seinen Namen und
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