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Meereskuss

Meereskuss

Titel: Meereskuss
Autoren: Virginia Kantra
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riss ihr die Kehle auf. Sie öffnete den Mund, doch kein Schrei kam heraus.
»Was für ein Unglück, dass sie nicht lange genug leben werden, um das Licht der Welt zu erblicken.«
    Es drehte ihr den Magen um. Ihr Geist schreckte auf. Das konnte doch nicht wahr sein. Gau dürfte nicht hier sein. Sie hatten die Brunnen mit einem Schutzzauber belegt.
    »Oh, ich bin auch gar nicht hier.«
Gaus Glucksen schnitt ihr ins Fleisch wie das rostige Blatt einer Säge.
»Ich bin schon nach World’s End zu deiner Familie unterwegs. Da du ja keine Zeit dazu hattest.«
    Sie zuckte zusammen. Angst und Schuldgefühle ließen sie wie eine Qualle an der Sonne verkümmern.
    »Weißt du, was ich mit ihnen mache, wenn ich dort bin? Mit deinem jämmerlichen Abklatsch von einem Vater und deinen braven, großen Brüdern und ihren Schlampen?«
    Das Wasser im Becken trübte sich und wurde dunkel.
    »Vielleicht lasse ich dich ja zusehen …«
    Ihr Magen geriet in Aufruhr wie das Wasser im Brunnen. Sie sah Dinge, dunkle, entsetzliche, widerwärtige Dinge, die gleich unter der Oberfläche waberten. Dylan im Kampf und eine schreiende Regina und Caleb, der blutbesudelt war. Maggie, bleich und mitgenommen und weinend, als würde ihr das Herz brechen.
    »Nein!«,
rief Lucy oder versuchte es zumindest, doch sie hatte keine Stimme.
    Genau wie in ihren Alpträumen.
    »Zu schade um die Babys«,
sagte Gau lachend, während sich Blut in das Wasser mischte.
    Der Schrei schwoll in ihrer Brust und in ihrem Kopf an, bis ihr Hals ganz wund war, bis ihr die Ohren dröhnten, bis sich der Druck hinter ihren Augäpfeln Bahn brach.
    Und doch brachte sie wieder keinen Laut zustande.
    Als das letzte Echo über den Burghof verklungen war, stand sie auf zitternden Beinen da. Sie taumelte in die Ecke neben dem Brunnen und erbrach sich auf das Kopfsteinpflaster.
     
    Nach der Freiheit und Erleichterung im Meer schloss sich der steinerne Bergfried um Conn wie ein Gefängnis.
    Sie alle fühlten dasselbe, das bemerkte er, als er sich unter seinen Wächtern umsah. Sie waren an die Weite ihres Hoheitsgebiets gewöhnt. An Land zu sein, in Menschengestalt und zusammengepfercht, belastete sie ebenso wie die dämonische Bedrohung. Morgan trug ein immerwährendes, spöttisches Grinsen zur Schau. Enyas Stimme war so brüchig wie ihr Lächeln. Selbst Griffs normalerweise ungerührtes Gesicht furchte sich in Sorgenfalten.
    Die Last der Verantwortung drückte auf Conns Nacken und hämmerte in seinen Schläfen. Es oblag ihm, sie alle zu einen, zu führen, zu schützen, wie unerträglich sie seine Führung oder einander auch finden mochten.
    »Wir haben die Tür verschlossen«, begann er grimmig. »Doch die Hölle hat nun ein Fenster geöffnet.«
    »Es sei denn, der Schlot ist schon vorher da gewesen«, wandte Enya ein. »Wir wissen nicht alles, was in der Tiefe vor sich geht.«
    »Die Eruption könnte nichts weiter als eine Warnung sein«, gab Morgan zu bedenken.
    »Keine Warnung«, widersprach Conn. »Eine Drohung. Davon müssen wir ausgehen.«
    Gaus Worte brannten noch immer in seinem Gedächtnis:
»Gib sie uns, oder wir werden Sanctuary zerstören.«
    Er würde Lucy niemals hergeben.
    Er lauschte dem Gezänk der Wächter, als wären es Seevögel auf den Klippen.
    Er hatte gehofft, dass ihnen Wochen oder Monate bleiben würden, bevor die Dämonen erneut gegen sie vorrückten. Zeit, um zusammen zu sein. Zeit für Lucy, ihre Gabe zu begreifen.
    Sie handelte rein instinktiv und einfach, weil sie dazu in der Lage war. Als sie Madadh geheilt und das Portal verschlossen hatte, hatte sie ihre Kraft durch Conn kanalisiert. Aber sie musste lernen, sie selbst zu kontrollieren.
    Morgan sagte etwas, woraufhin Enya errötete und ihn anfuhr.
    Aber vielleicht war Lucys Unwissenheit ja auch ihre Stärke, dachte Conn. Mangels Übung machte sie sich keinen Begriff davon, was sie bewirken konnte oder nicht. Ihre Macht war wie ihre Loyalität nicht von Logik oder Pflichtgefühl geleitet.
    Lucys Magie entsprang der Liebe. Der Leidenschaft.
    Diese Liebe hatte seinen Hund gerettet. Ihre Liebe hatte Conn von der Schwelle zur Hölle gerettet.
    Griff schaltete sich polternd in den Streit der Wächter ein. Conn hörte sie debattieren und wurde sich einmal mehr der Spannungen bewusst, die unter der Oberfläche brodelten und drohten, sie auseinanderzureißen.
    Er brauchte Lucys Magie, um sein Volk zu retten. Aber wie konnte sie sie retten, wenn sie nicht akzeptierte, eine von ihnen zu sein?
    Sie liebte ihn, rief
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