Meeresrauschen
verlieben können.
Wahrscheinlich ist eine Verbindung zwischen ihnen sogar
von ganz besonderer Leidenschaft geprägt. Aber ihre Liebe füreinander
bedeutet am Ende immer den Tod des einen.«
Am liebsten hätte ich mir wie ein kleines Mädchen die
Hände auf die Ohren gepresst und trotzig signalisiert, dass ich
keine Lust hatte, mir das noch weiter anzuhören. Ich öffnete
den Mund, um aufs Heftigste zu widersprechen, aber Javen
Spinx brachte mich mit einer einzigen Geste zum Schweigen.
»Schau in den Spiegel«, fuhr er fort. »Dann siehst du es mit
deinen eigenen Augen. Und das ist erst der Anfang, Elodie …
erst der Anfang.«
»Und was ist mit Gordy? I-ich kann ihn doch nicht ….« Alles
in mir lehnte sich auf. Ich wollte diesen Satz nicht mal zu Ende
denken.
Javen Spinx’ Blick verdunkelte sich. »Er muss fort von hier.«
»Aber er ist ein Plonx«, stammelte ich. »Er hat keine Freunde
mehr … er wird es nicht überleben!«
Besser, er stirbt im Kampf mit einem Feind als beim Liebesakt
mit dir!!!
Keine Ahnung, ob das mein eigener Gedanke war oder der
von Javen Spinx. Ohnehin hätte ich nicht sagen können, ob
und wie ein Echo zwischen uns Haien funktionierte, und mittlerweile
interessierte mich das auch nicht mehr.
Javen Spinx und Jane verlangten, dass ich mich freiwillig
von Gordian trennte, sie wollten, dass ich auf die Liebe meines
Lebens verzichtete – genauso gut hätten sie mir auch ein Messer
ins Herz stoßen können.
»Ich bin mir sicher, dass Gordy nicht einfach nur ein Plonx
ist«, drang Janes leise Stimme in mein Ohr. »Irgendetwas an
ihm erinnert mich an einen Wal.« Sie zögerte ein paar Sekunden,
bevor sie umso eindringlicher fortfuhr: »Hat er dir gegenüber
vielleicht mal erwähnt, dass einer seiner Vorfahren ein
Wal gewesen ist?«
»Nein.« Ich hielt den Kopf gesenkt, damit sie und Javen
Spinx nicht mitbekamen, dass ich zu weinen angefangen
hatte. Lautlos rollten die Tränen meine Wangen hinunter,
und ich versuchte, so viele wie möglich mit meiner Zunge aufzufangen,
ehe sie auf meine Hände und die Haihaut tropfen
konnten. »Soweit ich weiß, gibt es nichts Außergewöhnliches
in seiner Familie … außer dass seine Eltern sich nicht mit anderen
Nixen paaren.«
Ich spürte, dass die beiden einen Blick tauschten. Die angespannte
Stille zwischen ihnen sank wie ein eisiger Nebelschauer
auf mich herab.
»Es ist sehr wahrscheinlich, dass Gordy ein ähnliches Schicksal
in sich trägt«, sagte Jane schließlich. »Mag sein, dass es ihm
noch nicht bewusst ist, früher oder später aber wird es ihn
rufen … und dann wird er gar nicht mehr anders können, als
ihm zu folgen.«
Als ich eine gute Stunde später in der Abflughalle des Guernseyer
Flughafens saß und darauf wartete, dass mein Flieger ausgerufen
wurde, konnte ich mich kaum mehr daran erinnern,
wie ich mich von Javen Spinx und Jane verabschiedet hatte.
Ich wusste nur noch, dass ich nahezu blind vor Tränen über
die Klippen und die Gartenterrassen zum Haus hinaufgestolpert
war und mich mit einer Selbstverständlichkeit über das
Geländer auf den Balkon hinaufgeschwungen hatte, als wäre
dies schon immer meine Art gewesen, ein Haus zu betreten.
Ich hatte nicht einmal mehr darüber nachgedacht, ob es
einen Ausweg gab und mir womöglich doch noch eine Wahl
blieb.
Je länger du diese Trennung hinausschiebst, desto schmerzhafter
wird sie sein.
Das waren vielleicht Janes letzte Worte gewesen, vielleicht
auch Javen Spinx’ Gedanken – wie auch immer, sie beherrschten
mich, seitdem ich mein Zimmer betreten hatte.
Ein flüchtiger Blick auf das zerwühlte, mit unzähligen Blutspritzern
besprenkelte Bett, ein ebenso flüchtiges Streifen des
Badezimmerspiegels, aus dem mir mein zerschundenes Gesicht
entgegensah, ein hastiges Zusammenraffen meiner Sachen,
und schon war ich abreisebereit gewesen.
Tante Grace, die urplötzlich im Apartment aufgetaucht war,
hatte nicht eine einzige Frage gestellt, sondern schweigend Gordys
Bisswunden in meinem Gesicht verarztet und mir danach
geholfen, den Koffer und die Monsterreisetasche zu schließen
und in den Flur hinunterzuschleppen.
Kurz darauf war das Taxi vorgefahren, und als wir wenig
später den Flughafen erreichten, stellte sich heraus, dass an
diesem Abend tatsächlich noch ein Flug nach London ging
und ich von dort aus problemlos einen Anschlussflieger nach
Hamburg bekommen würde. Zeitlich fügte sich eins so perfekt
ins andere, als sollte es so sein – als wäre es vom Schicksal
Weitere Kostenlose Bücher