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Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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so
gewollt.
    »Du brauchst dich um nichts zu kümmern«, sagte Tante
Grace und drückte mich so fest an sich, dass ich eigentlich auf
der Stelle von Neuem hätte losheulen müssen. »Ich rufe deine
Mutter an und sorge dafür, dass sie dich persönlich in Hamburg
abholt.«
    Ich war ihr unendlich dankbar, aber ich hatte das nicht
zeigen können. Meine Augen sahen, was um mich herum
geschah, und auch mein Hörsinn ließ mich nicht im Stich.
Zuverlässig verwertete mein Gehirn sämtliche Informationen
und sorgte dafür, dass ich mich auf dem kurzen Weg vom
Check-in-Schalter zur Sicherheitszone nicht verlief und auch
niemanden über den Haufen rannte, aber innerlich war ich
wie tot.
    Mein Hals fühlte sich vollkommen ausgetrocknet an, die
Haut über meinen Lippen spannte, und mein Magen schmerzte
vor Hunger, aber ich war außerstande, mir etwas zu essen oder
zu trinken zu kaufen. Wie gerne hätte ich Javen Spinx und Jane
gehasst, aber selbst dazu war ich nicht in der Lage.
    Mein Kopf wollte nicht mehr denken und auch nichts mehr
entscheiden, mein Körper verrichtete zwar seinen Dienst, doch
meine Seele wäre am liebsten davongeflogen – irgendwohin,
wo es keine Schmerzen, keine Trauer und keinen Verlust mehr
gab.
    Der gläserne Gang zum Gate, die Gangway, die freundlichen
dunklen Augen des Stewards, der vor der Tür zum Cockpit
stand und die Fluggäste begrüßte, die Leute, die an mir
vorbeiliefen und ihr Gepäck verstauten, all das rückte immer
weiter von mir fort. Gesichter verblassten, Stimmen verstummten,
nicht einmal mehr das Brummen der Motoren nahm ich
noch wahr.
    Der Flieger rumpelte los und katapultierte mich in den Himmel.
Er durchbrach die Wolkendecke und stieß mich in das
grelle Licht der untergehenden Sonne. Meine Haut brannte
von den Knöcheln bis zu meinem Scheitel hinauf und mein
Herzschlag war ein einziger Schrei.
    Hier wollte ich nicht sein.
    Ich wollte überhaupt nicht mehr sein.

Keine Ahnung, wie ich es fertiggebracht hatte, mich bis zum
richtigen Gepäckband am Hamburger Flughafen zu bewegen.
Ich zerrte meinen Koffer und meine Reisetasche herunter und
schleppte beides zum Durchgang in die Ankunftshalle.
    Mam stand gleich ganz vorn an der Absperrung. Sie winkte
kurz, ihr Gesicht leuchtete auf und im nächsten Moment war
sie bereits bei mir und schloss mich in ihre Arme.
    Sie wiederholte meinen Namen, wieder und wieder, und
übersäte mich mit Küssen, und wäre ich nicht innerlich so taub
gewesen, ich hätte mich garantiert sofort aus dieser Umklammerung
befreit und sie gefragt, ob sie eigentlich noch klar bei
Verstand wäre. Aber immerhin schaffte ich es, »Hallo, Mam«
in ihr Haar zu murmeln.
    »Tante Grace hat mir alles erzählt«, sprudelte es aus ihr hervor,
nachdem sie mich endlich freigegeben und sich meinen
Koffer geschnappt hatte. »Mein armes, armes Häschen.«
    Was konnte das schon gewesen sein? Meine Großtante
wusste doch gar nicht, was passiert war. Okay, sie hatte meine
Wunden gesehen, aber sie kannte die Zusammenhänge nicht.
Wahrscheinlich hatte sie sich irgendetwas Dramatisches ausgedacht.
    »Es tut mir so leid, Schätzchen«, plapperte meine Mutter
weiter. »Ich hätte es wissen müssen. Es war eine Schnapsidee,
dich nach Guernsey zu schicken.« Sie tat einen langen tiefen
Seufzer. »Andererseits hättest du dich genauso gut auch hier
unglücklich verlieben können.«
    Meine Beine trugen mich neben ihr her. Meine Augen registrierten,
dass sie sich die Haare kurz geschnitten hatte und
dass sie sehr viel dünner geworden war. Und meine Ohren
hörten, was sie sagte, aber es drang nicht bis zu mir durch.
    »Ich weiß, es klingt jetzt vielleicht ein wenig seltsam, aber
wenn du aus dem Gröbsten raus bist, dann wirst du sehen,
dass es noch viele andere tolle Jungs auf der Welt gibt. Gordian
war eben einfach nicht der richtige.« Sie strich mir mit
den Fingern ihrer freien Hand flüchtig über das Pflaster auf
meiner Wange. »Mein Gott, was hat er dir nur angetan?«
    Meine Füße liefen schneller, weil meine Ohren schmerzten;
meine Hand drückte eine Tür auf und frische kühle Luft
drang in meine Nase.

    »Sina wollte ja unbedingt mitkommen«, erzählte meine Mutter,
nachdem sie das Gepäck in unserem Wagen verstaut und
ich mich neben meinem Rucksack auf die Rückbank geschoben
hatte. »Ich dachte aber, dass du vielleicht erst mal ein bisschen
Ruhe brauchst.« Sie warf mir über die Kopfstütze hinweg
einen forschenden Blick zu. »Wahrscheinlich willst du im Augenblick
noch gar nicht

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