Meeresrauschen
über sein Gesicht. »Mann, Elodie, glaub
mir, ich versteh dich total. Sina ist deine beste Freundin. Völlig
klar, dass das alles nicht so leicht für dich ist.« Jetzt lachte
er. »Ach, Mensch, du bist so süß. Immer denkst du nur an
andere. Höchste Zeit, dass du mal was für dich tust«, fügte er
flüsternd hinzu, und ehe ich reagieren konnte, hatte er seine
Hände bereits um meinen Nacken gelegt und fing aufs Neue
an, mich zu küssen.
Er fuhr mit seiner Zunge über meine Lippen und versuchte,
sie zu öffnen. »Komm schon, El«, brabbelte er, »lass dich fallen.
Du wirst schon sehen, wie schön es ist, endlich wieder zu Hause
zu sein, bei den Leuten, denen du wirklich etwas bedeutest.«
Ich war fassungslos. Wie konnte er all das tun, ohne sich
total bescheuert vorzukommen? Ich fragte mich ernsthaft, ob
Sina nicht wirklich was Besseres verdient hatte, und mit einem
Mal kochte ein Zorn in mir hoch, der mich selbst überraschte.
Wie ein sengendes Feuer kroch er meine Wirbelsäule hinauf,
legte sich um meinen Hals und bahnte sich seinen Weg bis
hinter meine Stirn.
Ohne darüber nachzudenken, schob ich meine Hände um
Frederiks Nacken. Ich öffnete meine Lippen und drang mit
meiner Zunge in seinen Mund.
Frederik stöhnte. Er ließ sich aufs Bett zurückfallen, und ich
legte mich über ihn und küsste ihn, heiß und brennend, ohne
in irgendeiner Weise davon berührt oder gar erregt zu sein.
Über meine Wirbelsäule strömte unablässig Hitze nach, die
Frederik gierig in sich aufnahm.
Wie dumm du doch bist!, dachte ich noch, im nächsten Moment
explodierte etwas in mir und das Feuer verlosch. Eine
Welle salziges Wasser füllte meine Lungen, sprudelte durch
meine Kehle und ergoss sich in Frederiks Rachen.
Ich spürte den Schreck, der ihn durchzuckte, gefolgt von
blankem Entsetzen. Für eine Sekunde wurde Frederik stocksteif,
dann fing er an, sich zu wehren.
Er strampelte, zerrte panisch an meinen Haaren, schaffte
es aber nicht, meinen Kopf zurückzubiegen, und als das Wasser
schließlich seine Luftröhre erreichte, erbebte sein Körper
unter einem verzweifelten Hustenreflex.
Doch Frederik hatte keine Chance. Ich war viel stärker als
er, und ich war entschlossen, ihn zu bestrafen.
Der Kuss einer Nixe ist tödlich.
Ich hörte die Stimme in meinem Kopf, trotzdem umklammerte
ich ihn immer fester und ließ das Wasser aus meiner
Lunge weiter in ihn hineinströmen. Ich war wie in einem
Rausch, aus dem ich kein Zurück fand.
Hör auf, Elodie! Hör auf!
Erst als Frederik sich nicht mehr bewegte, kam ich wieder
zur Besinnung. Ich löste meine Lippen von seinem Mund und
blickte in die vor Schreck geweiteten Augen, die aus seinem gespenstisch
bleichen Gesicht hässlich hervorstachen. Sein Kopf
fiel zur Seite und ein feines Rinnsal floss aus seinem Mundwinkel.
Ich überlegte nicht lange, im nächsten Augenblick lagen
meine Hände bereits auf Frederiks Brust. Mit gleichmäßigen,
druckvollen Stößen massierte ich seine Lunge.
Unheil bringst du. Großes Unheil über die Inseln. Tod und Schrecken
…
Laurens Gesicht blitzte vor mir auf. Ich sah sie lachend am
Strand entlanglaufen und nur einen Lidschlag später lag sie tot
auf der Wiese. – Glücklich, von Kyans Kuss ertränkt worden
zu sein.
Ich blickte auf Frederik herab, der hustete und spuckte und
alles andere als glücklich aussah. Jetzt schloss er die Augen,
und als er sie schließlich wieder öffnete, war sein Blick erschöpft,
aber klar.
»W-was ist passiert?«, stammelte er.
Er sah mich einen Moment lang an, dann schoss sein Oberkörper
hoch.
Ich unterdrückte mühsam ein Stöhnen der Erleichterung.
Auf keinen Fall durfte ich mir etwas anmerken lassen.
»Nichts«, sagte ich und lehnte mich langsam zurück. Mein
Herz tobte in meiner Brust. »Wir haben uns nur … geküsst.«
Lächelnd hielt ich seinen Blick gefangen.
Du wirst dich an nichts mehr erinnern.
Frederik fuhr sich durch die Haare, schüttelte verwirrt den
Kopf und schob dann seine Beine an mir vorbei über die Bettkante.
»Das war kein Kuss«, murmelte er.
»Was soll es denn sonst gewesen sein?«
Mein Atem ging viel zu schnell. Ich musste ihn unbedingt
unter Kontrolle bekommen.
Frederik warf mir einen scheelen Blick zu. »Keine Ahnung«,
sagte er. »Ich glaube, ich war ohnmächtig. Einen Moment lang
hatte ich sogar das Gefühl zu ersticken.«
»Hm ja. Der war echt toll, dieser Kuss.« Wieder lächelte ich
ihn an und diesmal gab ich mir noch etwas mehr Mühe.
Du wirst dich an nichts
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