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Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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meine Arme fest um ihn, schmiegte mein Gesicht in
seine Halsbeuge und sog seinen wundervollen Duft tief in
mich ein.
    Es verging eine halbe Ewigkeit, bis Gordy sich räusperte und
sagte: »Du hast Idis gesehen.«
    »Ja, das habe ich.«
    »Ich meine, du hast sie
richtig
gesehen. Du hast gesehen, dass
sie sich von einem
normalen
Delfin unterscheidet.«
    »Ja, Gordy, das habe ich«, bekräftigte ich. »Deine Schwester
ist wunderschön. Ihr alle seid wunderschön. Auch Kyan auf
seine Art und Zak … und Elliot war es ebenfalls.«
    »Du bist auch wunderschön«, sagte Gordy. »Für mich bist
du ein einziges
Wunder
«, fügte er kaum hörbar hinzu – und
wieder einmal stockte mir der Atem.
    »Nein«, widersprach ich, nachdem ich mich wieder gefangen hatte. »Nicht ich bin das Wunder, sondern du bist es. Dass es
mich gibt, ist völlig normal, aber du …«
    Gordy lächelte so hinreißend, dass ich unvermittelt abbrach.
    »Ich bin auch völlig normal«, entgegnete er. »Oder besser
gesagt, ich war es mal. Jetzt bin ich nur noch ein Nichts.«
    Ich lächelte gequält zurück. »Für mich bist du alles, schon
vergessen?«
    Er hauchte mir einen Kuss auf die Schläfe. »Nein.«
    Abermals entstand eine kleine Pause, in der ich nur unsere
Herzen klopfen hörte.
    »Hast du nun eigentlich herausgefunden, warum du dich in
einen Plonx verwandelt hast?«, fragte ich schließlich vorsichtig.
    »Nein.« Gordy kniff die Mundwinkel ein. »Niemand in meiner
Familie hat eine Erklärung dafür. Nicht einmal mein Urgroßvater
und der hat wahrlich schon eine Menge erlebt.«
    »Aber du hast gesagt …«, begann ich, doch er ließ mich nicht
weitersprechen.
    »Dass ich ein Sonderling bin, stimmt«, unterbrach er mich.
»Allerdings hat noch nie jemand einen Plonx gesehen. Mag
sein, dass es auch schon in früheren Zeiten einmal welche gegeben
hat, aber nach allem, was meine Eltern wissen, existieren
sie im Grunde nur in unseren Legenden.« Er legte den Kopf in
den Nacken und schloss für eine Sekunde die Augen. »Meine
Mutter sagt, sie entsprängen der Sehnsucht, in der Sonne zu
leben.«
    Ein leises Seufzen brach über meine Lippen. »Das ist …«,
begann ich, fand vor lauter Rührung aber nicht die passenden
Worte. »Deine Mutter, deine Eltern …«
    »Meine Familie bleibt meine Familie«, antwortete Gordy
und unterstrich diese Aussage durch ein entschiedenes Nicken. »Und ich bin auch nicht etwa deswegen ein Plonx, weil
meine Mutter sich mit einem Hai gepaart hätte. Begreifst du,
Elodie: Das ist nämlich gar nicht möglich.«
    Ich nickte. »Klar, weil ihr miteinander verfeindet seid.«
    »Nein, es funktioniert auch rein biologisch nicht.«
    »Okay«, sagte ich. »Okay. Aber
du
existierst. Du bist hier bei
mir. Ich kann dich fühlen. Du bist genauso real wie ich. Anders
als die anderen Nixe wirfst du keinen Schatten und du
verwandelst dich auch nicht in einen Delfinnix zurück. Aber
das ist auch schon der einzige Unterschied.«
    »Der
entscheidende
Unterschied«, betonte Gordian. »Tatsache
ist: Ich habe meine Schutzhülle verloren, die Haut, die uns
Delfinnixe umgibt und uns den Menschen als gewöhnliche
Delfine erscheinen lässt. Wenn ich ins Meer tauche, kann
jeder sehen, was ich bin.«
    »Eine Legende?«
    »Nein, eine Missgeburt«, entgegnete Gordy voller Abscheu.
»Und sobald ich an Land bin, muss ich aufpassen, dass die
Sonnenstrahlen mich nicht treffen, weil alle Menschen daran,
dass ich keinen Schatten habe, erkennen würden …«
    »Dass du etwas Besonderes bist.«
    »Falsch«, zischte er. »Dass ich eine Bedrohung für sie bin.
Die Sehnsucht der Delfinnixe, an der Sonne leben zu können,
beruht in Wahrheit nämlich auf einem Trugschluss. Sobald ein
Delfin an Land geht, wird er zum Plonx und damit zum Verräter
an seiner eigenen Art. Alle anderen, die ihm folgen, unterliegen
wie Kyan, Liam und Zak dem Rhythmus des Mondes.«
    »Man wünscht sich offenbar immer gerade das, was man
nicht hat oder einem unerreichbar vorkommt«, hörte ich mich
murmeln.
    Gordy erbleichte und schien förmlich in sich zusammenzufallen.
»Ja, du hast recht«, sagte er, während er vom Bett aufstand,
sich ans Fenster stellte und aufs Meer hinuntersah. »Du
ahnst ja gar nicht,
wie
recht du hast.«

Gordy und ich hatten bereits eine ganze Weile bewegungslos
nebeneinander verharrt, und die Stille im Raum begann allmählich,
unerträglich zu werden, da ließ uns ein energisches
Klopfen an der Zimmertür zusammenfahren, und ehe ich
einen Gedanken fassen, geschweige

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